Ein Katholikentag, der mich hin- und hergerissen hat: Über allem liegt in unserer Kirche derzeit ein dunkler Schatten, weil es keine Auswege aus den vielfältigen Krisen zu geben scheint. In fast allen Begegnungen und Gesprächen waren oft Traurigkeit, Frustration und Lähmung gegenwärtig. Viele spüren, dass unsere Kirche derzeit regelrecht an einem Abgrund steht. Der Katholikentag mit seiner geringen Zahl an Teilnehmenden und einem äußerst kritischen medialen Echo spiegelte das wider. Deutlich wurde auch: Der Aufwand eines solchen Events scheint in dieser Form in keinem Verhältnis mehr zu seinem Ertrag zu stehen.
Aber das ist nur die eine Seite - denn zugleich ist es einfach auch schön, so viele engagierte und zutiefst überzeugte Christinnen und Christen zu treffen, viele Weggefährtinnen und -gefährten aus ganz Deutschland wiederzusehen oder neu kennenzulernen. Es gibt nach wie vor unzählige Menschen, die vom Glauben an Jesus Christus inspiriert sind und eine große Kraft in sich tragen.
Intensives ökumenisches Gespräch
Ganz besonders hat mich der Nachmittag in der evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde erfreut, die mit ihrer katholischen Partnergemeinde St. Theresia eng kooperiert. Ich durfte dort davon erzählen, worin mich Dietrich Bonhoeffer inspiriert - und aus dem Vortrag entwickelte sich ein intensives Gespräch in ökumenischer Gemeinschaft. Oft sind es die kleinen Veranstaltungen am Rande, in denen sich zeigt, wie lebendig unsere Kirchen doch sind.
Und zum Abschluß war ich dann beim Taizé-Gebet mit Frère Alois und zwei seiner Brüder sowie unzähligen Menschen, die gemeinsam sangen und beteten. Frère Alois hielt eine kurze, schlichte Ansprache und erinnerte daran, wie wichtig es sei, einfach nur zu beten - gerade in dieser Zeit, in der es so viel Verunsicherung gibt, so viel Leid, Unrecht und Krieg. Es gehe darum, im Gebet die Erinnerung an den auferstandenen Christus wachzuhalten und daraus zu leben, dass es eine Auferstehung gibt: All das Dunkle, das Böse und Leidvolle in dieser Welt wird nicht das letzte Wort haben.
Für gemeinsame Kirchentage
Frère Alois erinnerte mich mit seinem Wort an Dietrich Bonhoeffer, der einmal sagte, dass die Sache der Christen angesichts des Zusammenbruchs in der NS-Zeit für lange Zeit "eine stille und verborgene" sein müsse, aber dass es Menschen geben werde, "die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten".
Es gibt diese Menschen in allen unseren christlichen Kirchen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir in Deutschland bald nur noch gemeinsame Kirchentage der evangelischen und katholischen Kirche feiern. Das hätte eine starke Signalwirkung in die breite Öffentlichkeit hinein, aber auch in unsere Kirchen: Wir müssen endlich raus aus der innerkirchlichen Selbstbeschäftigung, aus den gegenseitigen Abgrenzungen und Konkurrenzen! Wir haben eine gemeinsame Verantwortung und einen gemeinsamen Ruf als Christinnen und Christen, um das zu leben und zu bezeugen, was wir von Jesus Christus verstanden haben und um diese Welt zum Besseren zu gestalten! Wir sollen gemeinsam die Menschen sein, die beten, das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten!