DOMRADIO.DE: Der 102. Katholikentag in Stuttgart geht zu Ende. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken): Ich bin sehr zufrieden. Es war ein Wagnis, zweieinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie wieder eine Veranstaltung vor Ort durchzuführen. Aber ich glaube, dass viele Menschen Lust hatten, wieder öffentlich zu diskutieren, zu feiern und Kultur zu genießen. Aber eben auch Spiritualität, weil sich während Corona auch die Glaubenserfahrung ins Private zurückgezogen hat. Insofern war es toll, auch außerhalb der Gemeinde wieder Gottesdienste zu erleben. Nach zweieinhalb Jahren, in denen es fast keine öffentlichen Veranstaltungen gab, war das ein guter Start.
DOMRADIO.DE: Trotzdem war die Teilnehmerzahl von 27.000 verglichen mit den Vorjahren eher gering. Nach Pfingsten beginnen Sie bereits mit den Planungen des nächsten Katholikentags in Erfurt. Werden Sie da über Veränderungen sprechen müssen?
Frings: Ich denke, dass wir uns insgesamt in einer großen Transformation in der katholischen Kirche befinden. Wir haben immer noch Strukturen, die für eine Massenbewegung ausgelegt sind. Dabei müssen wir aber auch anerkennen, dass mittlerweile weniger als die Hälfte der in Deutschland lebenden Menschen einer der beiden großen Kirchen angehören. Deswegen sind wir unter Handlungsdruck, auch wir als Laien und Laiinnen.
Es ist aber auch eine spannende Herausforderung, denn Katholikentage haben eine lange Tradition. Es gibt sie seit 1848 und deswegen glaube ich, ist es jetzt auch an der Zeit, alles auf den Prüfstand zu stellen und gleichzeitig gilt es, die Marke zu modernisieren und sie an die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen und die Zeitgeist-Frage gut zu beantworten. Insofern freue ich mich jetzt auch auf die Auswertung, damit ein guter Katholikentag 2024 gelingen kann.
DOMRADIO.DE: Sie sagen: "Christsein bedeutet öffentliches Leben mitgestalten". Wurde denn der Katholikentag außerhalb der katholischen Blase wahrgenommen?
Frings: Auf jeden Fall. Wir haben unsere Positionen, die wir kritisch mit anderen Akteurinnen und Akteuren des öffentlichen Raums diskutieren wollen: Mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Wissenschaft, aus der NGO-Szene und natürlich aus der Politik. Ich glaube, darin liegt unsere Zukunft: Dass wir uns noch mehr mit den säkularen Akteuren und Akteurinnen auseinandersetzen.
DOMRADIO.DE: Früher war es Tradition, dass die Spitzen der christlichen Parteien, wie zum Beispiel Ex-Kanzlerin Angela Merkel, sich beim Katholikentag blicken ließen. Jetzt fehlten sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch CSU-Chef Markus Söder. Sind Sie enttäuscht, dass aus den Parteien mit dem "C" im Namen nicht mehr automatisch alle kommen?
Frings: Wir hoffen natürlich immer auf viel Prominenz und Präsenz aus der Politik. In diesem Jahr hat das weiterhin gut geklappt. Wir hatten den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, die Bundestagspräsidentin und viele andere Vertreterinnen und Vertreter vor Ort. Das sind wichtige Signale. Und aus der Union war die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil als kfd-Vorsitzende hier. Monika Grütters hat hier über "cancel culture" gesprochen. Es gibt also nach wie vor gute Kontakte, die wichtig sind, weil wir mit allen demokratischen Parteien im Austausch sein wollen.
DOMRADIO.DE: Hätten Sie sich nicht auch den Besuch von mehr Bischöfen gewünscht, mit denen man auch in die Diskussion hätte gehen können, weil sie eine andere Meinung in Bezug auf die Zukunft der Kirche und die Rolle der Laien und Laiinnen vertreten?
Frings: Gerade beim Synodalen Weg ist es wichtig, dass wir in einen kritischen Austausch kommen, dass wir mit allen reden und vor allem, dass wir direkt miteinander reden. Zum Katholikentag waren alle eingeladen, um binnenkirchlich und politisch zu diskutieren. Es ist bedauerlich, dass einige nicht da waren, dass ein Erzbischof sogar parallel eine eigene Veranstaltung organisiert hat. Das hätten wir uns anders gewünscht.
Ich bin für direkte Kommunikation. Es ist schwierig, wenn über Bande gespielt wird, wenn eine Öffentlichkeit über offene Briefe oder lancierte Artikel geschaffen wird. Das ist bedauerlich und diskreditiert meiner Meinung nach den Synodalen Weg, der ja einstimmig von der Deutschen Bischofskonferenz gewollt wurde. Und jetzt fragt man sich, ob immer noch alle dahinterstehen.
DOMRADIO.DE: Was bleibt von diesem Katholikentag?
Frings: Für mich persönlich bleibt auf jeden Fall der Eindruck, dass sich hier viele Katholikinnen und Katholiken getroffen haben, die fröhlich waren. Unsere Kirche bietet derzeit nicht unbedingt viele Anlässe dazu. Kirchenpolitisch sind wir in einer sehr schwierigen Situation. Und dass so viele Menschen in Stuttgart lachend und fröhlich unterwegs waren, war sicher eine ganz wichtige Motivation für uns alle.
Und es war der geglückte Versuch, zwischen Innen und Außen gut zu vermitteln. Wir haben auf die innerkirchliche Krise geschaut, das haben wir sehr ernsthaft gemacht. Aber wir haben eben auch gleichzeitig klar gemacht, dass wir nicht warten können, bis diese Krise überwunden wird. Deswegen sind wir auch in die politische Debatte gegangen und dass dieser Zweiklang gelungen ist, darüber bin ich sehr froh.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.