DOMRADIO.DE: Sie sind mit gemischten Gefühlen zum Katholikentag gekommen. Warum?
Luisa Neubauer: Der Zustand der katholischen Kirche ist kein Geheimnis. Und ich finde nicht, dass wir uns beim Katholikentag treffen können, ohne nicht auch darüber zu sprechen, was gerade elefantenartig im Raum steht: Wie groß bis heute in Teilen der Kirche der Widerstand gegen Aufklärung, Gleichberechtigung und das Ende von Stigmatisierung ist.
Aber ich habe mich entschlossen, hier aufzutreten, damit die Menschen sehen, dass sie sich organisieren und Veränderungen einfordern können. Aber eben auch mit dem Selbstverständnis, dass wir darüber sprechen müssen und dass der Katholikentag nicht der Ort für politisches Schweigen ist.
DOMRADIO.DE: Was haben Klimaschützer und Christen gemeinsam?
Neubauer: Ich erlebe derzeit ganz viele Menschen, die nach Orientierung suchen, nach Gemeinschaft und nach Momenten, aus denen sie Hoffnung schöpfen können. Für Viele kann das die Kirche oder der Glaube sein, in denen es auch immer wieder um das Thema "Gerechtigkeit" geht und das hat viel mit Klimaschutz zu tun. Darin müssen sie bestärkt werden. Wir müssen beim Thema Klimaschutz aber auch die Kirchen mehr in die Pflicht nehmen.
DOMRADIO.DE: Inwiefern?
Neubauer: Die evangelische und die katholische Kirche profitieren nach wie vor in enormem Maß von Investitionen in Kohle und Gas. Finanzökonomisch gesehen profitieren sie bis heute von der Klimazerstörung. Da muss man raus. Der Vatikan hat das schon zugesagt. Und die Kirchen müssen auch ihren politischen Einfluss nutzen, damit auch die christlichen Parteien in Deutschland endlich erkennen, dass Schöpfung gerade nicht bewahrt, sondern geschreddert wird.
DOMRADIO.DE: Corona, die Lockdowns, jetzt der Ukrainekrieg: Wie schwer ist es jetzt noch, mit dem Thema Klimaschutz durchzudringen?
Neubauer: Einerseits ist es natürlich dramatisch, dass in der Aufmerksamkeitsökonomie die Klimakrise viel zu oft noch als Subthema verstanden wird. Auf der anderen Seite erleben wir – und das ist neu – dass richtigerweise Themen miteinander verknüpft werden. Jetzt im Zuge des Ukraine-Krieges wird ganz selbstverständlich über Energieversorgung gesprochen. Und das ist wichtig: Es geht nicht darum, dass immer singulär über das Klima gesprochen wird, sondern dass verstanden wird: Klima hängt mit allem zusammen.
Dass es schwierig ist, in Zeiten multipler Krisen eine Öffentlichkeit zu organisieren ist, keine Frage: Aber ich sehe vor allem, wie resilient viele Menschen sind und wie sie trotz aller Widrigkeiten Teil der Bewegung sein wollen.
DOMRADIO.DE: Angesichts des Ukraine-Krieges und der sich abzeichnen Energieknappheit bekommt das Thema "Erneuerbare Energien" Rückenwind, das müsste doch in ihrem Sinne sein?
Neubauer: Weltweit werden viele neue fossile Projekte geplant. Zuletzt war Bundeskanzler Olaf Scholz im Senegal, ein absoluter Klima-Hotspot in Afrika, der jetzt schon an den Folgen des Klimawandels leidet. Und ausgerechnet da hat er neue Gasbohrungen beworben. Offenbar hat man vergessen, dass es Alternativen zu fossilen Energien gibt und man ist auch zur irrationalsten Politik bereit und verteidigt Öl und Gas entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse, entgegen der Klimaziele und entgegen der Klimakatastrophe, die in Teilen der Welt schon Realität ist. Und gerade, weil wir nicht darauf setzen können, dass sich Politik verändert, auch wenn es richtig und notwendig wäre, braucht es uns auf der Straße.
DOMRADIO.DE: Politik bewegt sich nicht so schnell, wie Sie und Wissenschaftler es fordern, immer wieder gibt es Rückschritte. Woher nehmen Sie eigentlich den Optimismus und die Durchhaltekraft, weiterzumachen?
Neubauer: Es geht gerade um die wichtige Frage, mit welcher Haltung wir es durch dieses Jahrzehnt schaffen, wenn sich die Krisen überschlagen, wenn immer noch etwas obendrauf kommt. Man dachte nach der Pandemie: Was denn jetzt noch? Und jetzt wütet Putin in der Ukraine. Und gleichzeitig ist die Klimakrise schon da und wir müssen und fragen, mit welcher Energie wir diesen Krisen begegnen.
Mir kommt es so vor, als ob es genauso aufwändig ist, sich die ganze Zeit einzureden, dass wir nichts tun können, als die Augen zu öffnen und zu begreifen, dass wir Dinge ändern können. Verdrängung ist auch ganz schön anstrengend und ich habe keine Lust, zu verdrängen. Und wir sehen auch: Wenn wir wollen, können wir zusammen ganz schön viel bewegen.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.