Neue Ausstellung in der Vatikanbibliothek

Das gewebte (Nicht-)Wort

Mithilfe moderner Kunst solle die Vatikanische Bibliothek in den Dialog mit der Gegenwart treten, findet der Papst. Das tut sie nun mit der Ausstellung "Die Kunst, Freiheit zu weben" und mit außergewöhnlichen Büchern.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Ein schwarzes Buch aus Stoff, gestaltet von der Künstlerin Maria Lei. / © Severina Bartonitschek (KNA)
Ein schwarzes Buch aus Stoff, gestaltet von der Künstlerin Maria Lei. / © Severina Bartonitschek ( KNA )

Fäden füllen Seiten; miteinander verwoben, verknotet fließen sie aus den Büchern heraus. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint: Wörter ergeben diese Fäden nicht. Vielmehr seien sie Poesie; ein Rhythmus, der die Fantasie des jeweiligen Betrachters anregen soll, erklärt Kuratorin Micol Forti.

Gemeinsam mit drei weiteren Kuratoren hat die Kunsthistorikerin die Ausstellung "Die Kunst, Freiheit zu weben" konzipiert. Sie zeigt Werke der sardischen Künstlerin Maria Lei (1919-2013). Am Freitag wurde sie in der Vatikanbibliothek eröffnet.

Bücher aus Stoff, Brot, Papier und Garn. / © Severina Bartonitschek
Bücher aus Stoff, Brot, Papier und Garn. / © Severina Bartonitschek

Stoff ist das vorherrschende Element. Dutzende weiße Seiten, mehr oder weniger "beschrieben", bedecken die Wand im dunklen Eingangsbereich. Blaue und grüne Stoffbahnen sollen den "Dialog mit dem Meer" zeigen. Dazu: Stoffbücher in Rot, in Schwarz, Regenbogenfarben; mit kunstvolle Einbänden, immer von Fäden "umgarnt". Weitere Materialien für die künstlerischen Bücher sind Papier, Terrakotta, Keramik und Brot.

"Eine abstrakten Sache Substanz verleihen"

Maria Lei ermögliche mit diesen Werken, Bücher ohne Rücksicht auf ihren Inhalt zu betrachten, erklärt der Leiter der Ausstellungsräume der Bibliothek, Giacomo Cardinali. Die Künstlerin selbst bezeichnete die Intention ihrer unleserlichen Bücher einmal als: "einer abstrakten Sache Substanz zu verleihen".

Dabei besteht die Ausstellung nicht ausschließlich aus "Unlesbarem". Im vergangenen Jahr hatte Papst Franziskus angeregt, die altehrwürdige Biblioteca Apostolica Vaticana zu nutzen, um in Dialog zu treten. "Das Leben ist die Kunst der Begegnung", so das Kirchenoberhaupt im November. Darum werde eine "neue Schönheit" gebraucht, die nicht mehr das übliche Spiegelbild der Macht einiger weniger sei. Er stelle sich stattdessen ein "mutiges Mosaik der Vielfalt aller" vor.

Ein Buch aus Stoff, gestaltet von der Künstlerin Maria Lei / © Severina Bartonitschek (KNA)
Ein Buch aus Stoff, gestaltet von der Künstlerin Maria Lei / © Severina Bartonitschek ( KNA )

Die Vielfalt dieser Ausstellung zeigt sich in einem Dialog zwischen den abstrakten Werken der sardischen Künstlerin und historischen Schätzen aus dem Fundus der Vatikanbibliothek. Manuskripte aus Äthiopien, indische Handschriften auf Palmblättern, Bücher mit Holzeinband aus dem 15. Jahrhundert oder ein Augsburger Bekenntnis mit goldener Tinte auf blauem Papier von 1734 liegen in den Glasvitrinen im Ausstellungsraum. Dazwischen, auf einzelnen Regalböden, die abstrakten und bunten Werke Leis.

Experimente mit Holz, Brot, Stoff und Garn

Ein Buch mit einem bunten Stoff-Einband aus Sardinien schlägt die Brücke zurück zur Künstlerin. Dort 1919 in dem kleinen Ort Ulassai geboren, zog es Maria Lei für ihre Ausbildung auf das italienische Festland. In Venedig studierte sie an der renommierten Akademie der Schönen Künste, lernte das Malen und die Bildhauerei, arbeitete in Rom und stellte dort aus. Ab den 1960er Jahren entdeckte sie neue Materialien für sich und begann mit Holz, Brot, Stoff und Garn zu experimentieren. Die Bücher in der aktuellen Ausstellung entstanden vorwiegend in den 70er Jahren. Nach Sardinien zog es die Künstlerin zeit ihres Lebens immer wieder und ab den 90ern bis zu ihrem Tod 2013 endgültig zurück.

Nun also befindet sich ein Teil ihrer Werke noch bis 15. Juli im Vatikan. Dessen Bibliothek mit allein rund 1,6 Millionen gedruckten Büchern "ist wahrscheinlich der am besten geeignete Ort für diese Ausstellung", meint Cardinali. Besucht werden kann "L'arte di tessere la liberta" jeden Mittwochnachmittag nach vorheriger Anmeldung über die Website der Vatikanbibliothek.

Quelle:
KNA