Eine theologische Betrachtung zum Pfingstfest

Die Sprache der Liebe wird überall verstanden

Wer kennt das nicht: Selbst wenn man dieselbe Sprache spricht, redet man mitunter aneinander vorbei. Dabei gibt es eine Sprache, die jeder auf der ganzen Welt ganz von selbst versteht.

Autor/in:
Fabian Brand
Herz aus zwei Händen (shutterstock)

Latein haben sie gesprochen, die Konzilsväter, als sie sich zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelten. Im Oktober dieses Jahres jährt sich der Beginn des Konzils zum 60. Mal. Freilich gab es im Vorfeld auch Diskussionen, ob man die Diskussionen in der Konzilsaula nicht in einer anderen Sprache führen sollte. Dennoch fiel die Wahl auf Latein, weil es ja die alte Kirchensprache ist und die Messe früher auch auf Latein gelesen wurde. Letzteres hat häufig zu Unverständnis geführt, und es verwundert nicht, dass die Wandlung schnell zum "Hokuspokus" wurde. Immerhin hat der Priester die Konsekrationsworte "Hoc est enim corpus meum" meist nur leise vor sich hingesprochen.

"Die ganze Erde hatte eine Sprache und ein und dieselben Worte"

Eine Sprache, die alle Menschen verstehen: Heutzutage sind wir davon nicht mehr weit entfernt, da sich Englisch mittlerweile als Weltsprache etabliert hat. Und dennoch: Nicht immer versteht man den anderen auch. Die Sprachbarrieren bleiben, die Verschiedenheit der Sprachen kann ein unüberwindliches Hindernis werden.

Unsere Bibel weiß sogar, woher diese Unterschiedlichkeit der Sprachen kommt: Es ist die Erzählung vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9). "Die ganze Erde hatte eine Sprache und ein und dieselben Worte", heißt es dort (Gen 11,1). Aber die Menschen wollen hoch hinaus, sie werden übermütig und wollen so sein wie Gott. Das ist der Grund, warum Gott hinabsteigt, warum er eingreift und die Sprachen der Menschen verwirrt. Und plötzlich versteht keiner mehr den anderen, und aus dem gegenseitigen Verständnis ist ein riesiges Durcheinander geworden.

Das Gegenstück zu der Erzählung vom Turmbau zu Babel ist die Aussendung des Heiligen Geistes, von der wir an Pfingsten hören. Dort, im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte, hören wir: "Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab." (Apg 2,4) Erfüllt vom Heiligen Geist können die Apostel in anderen Sprachen sprechen.

Das eigentliche Wunder, das dahintersteht: Die Apostel können das Evangelium verkünden - und sie werden überall auf der Welt verstanden. Der Turmbau zu Babel trennt die Menschen, lässt sie unterschiedliche Sprachen reden. Die Aussendung des Heiligen Geistes an Pfingsten vereint dagegen die Menschen, lässt sie einander verstehen und fügt sie so wieder zusammen, wie es am Anfang einmal gewesen ist.

Fabian Brand

"So viele Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, wurden schon bei uns aufgenommen. Und auch wenn wir die ukrainische Sprache nicht beherrschen, man versteht sich trotzdem. Weil die Taten der Nächstenliebe überall verstanden werden."

Verstehen durch das Werk des Heiligen Geistes

Sicher haben die Apostel nicht Latein oder Englisch gesprochen, damals war Griechisch noch die Weltsprache. Aber auch das ist in der Erzählung des Pfingstereignisses nicht gemeint. Erfüllt vom Geist beherrschen die Apostel die Sprache des auferstandenen Christus. Das ist die Sprache des Evangeliums, die Sprache, die überall verstanden wird. Doch es ist eine Sprache, bei der es nicht so sehr darauf ankommt, Vokabeln und Grammatik zu pauken.

Die Sprache des Evangeliums ist eine, die sich im eigenen Tun und Handeln ausdrückt. Dort, wo Menschen unbedingt aufeinander zugehen, wo sie in Barmherzigkeit, Güte und Liebe einander annehmen - dort sprechen sie die Sprache des auferstandenen Herrn. Wo Menschen nicht nur auf ihr eigenes Wohlergehen schielen, sondern sich ganz dem Dienst am Nächsten widmen, sich um die Kranken sorgen und die Trauernden trösten - dort sprechen Menschen die Sprache des Evangeliums. Und wer diese Sprache beherrscht, der wird verstanden, egal, in welchem Land er sich auch gerade befinden mag. Es ist das Werk des Heiligen Geistes, der solches Verstehen ermöglicht.

Dass der Heilige Geist auch unter uns wirkt, dass auch in unserer Welt Pfingsten ist, das erfahren wir in diesen Tagen und Wochen immer wieder. So viele Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, wurden schon bei uns aufgenommen. Und auch wenn wir die ukrainische Sprache nicht beherrschen, man versteht sich trotzdem. Weil die Taten der Nächstenliebe überall verstanden werden.

Weil dort, wo wir Menschen, die auf der Flucht sind, aufnehmen und eine neue Heimat bieten, der Heilige Geist wirkt. Das ist kein "Hokuspokus" und kein fauler Zauber, sondern das ist das Werk des auferstandenen Herrn, der uns Menschen zusammenführt und vereinigt. In Christus und durch seinen Heiligen Geist können wir allen Menschen "Gottes große Taten verkünden" (Apg 2,11).

Quelle:
KNA