KNA: In Filetto di Camarda, wo am 7. Juni 1944 ein deutsches Bataillon unter Leitung von Hauptmann Matthias Defregger in einem Massaker 17 Menschen tötete, wurden Sie zwei Jahre später geboren. Der Jahrestag des Massakers in Filetto ist ein wichtiger Jahrestag. Wie wird er in der Dorfgemeinschaft heute wahrgenommen?
Domenico Marcocci (Pfarrer in San Gregorio): Im Laufe der Zeit hat die Bedeutung dieses Jahrestags etwas abgenommen. Als wir Kinder waren, war das anders. Da gab es noch die Witwen und Kinder und jene, die das tragische Ereignis erlebt hatten. Jetzt sind die Kinder erwachsen und oft weit weg, die Witwen tot. Das heißt aber nicht, dass es vergessen wäre. Es schmerzt uns, wenn es Leuten von außerhalb, die hier leben, nicht bewusst ist, sie die Bedeutung nicht sehen.
Früher wurde der Jahrestag mit mehreren Gottesdiensten zu Ehren der Toten begangen. Die Witwen empfingen damals Gäste zu einem Essen in den umliegenden Häusern. Damals war auch der Friedhof noch nicht so angelegt wie heute. Im Jahr 1970 wurde uns eine Spende aus Bayern angeboten, mit der wir den Friedhof anlegen ließen.
Defregger kam nie wieder nach Filetto. Er hat sicherlich einmal sein Bedauern ausgedrückt. Er schenkte uns unter anderem einen Kelch, mit dem ich heute Messe feiere.
KNA: Gibt es noch ungelöste Fragen im Zusammenhang mit dem Massaker?
Marcocci: Es ist nicht mehr an der Zeit dafür. Viele Jahre sind vergangen, und wir sind jetzt eine andere Generation. Wir schauen nach vorne, erinnern uns aber auch an unsere Geschichte.
KNA: Was möchte die Delegation aus Pöcking in Filetto, wenn sie dorthin kommt?
Marcocci: Die Delegation möchte Filetto kennenlernen. Und sie wollen den Namen der Defregger-Straße in Pöcking ändern. Aber ich habe ihnen gesagt, sie sollten das jetzt nicht im Zusammenhang mit ihrem Besuch bei uns tun. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir es waren, die diese Umbenennung wollten.
Das Interview führten Annika Nierentz und Roland Juchem.