Mithilfe einer Feststellungsklage wolle er deren Mitschuld im Missbrauchsskandal feststellen lassen, berichten "Correctiv", "Die Zeit" und der Bayerische Rundfunk (BR) am Mittwoch.
Der Berliner Anwalt Andreas Schulz habe diese Klage beim Landgericht Traunstein eingereicht. Dieser juristische Schritt könne aber nur Erfolg haben, wenn die Kirche und deren beklagte Vertreter darauf verzichteten, sich auf die Verjährung des Falles zu berufen. Dies habe bisher nur der frühere Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, getan.
Weltliches Gericht soll Schadensersatz erwirken
In dem konkreten Fall geht es um den Missbrauch eines Jungen durch den früheren Priester Peter H. Sein Mandant wolle erreichen, dass ein weltliches Gericht feststelle, dass Benedikt XVI. dem Betroffenen den Schaden ersetzen müsse, berichten die Medien und berufen sich dabei auf die 69-seitige Klageschrift des Anwalts.
In seiner Münchner Zeit habe Erzbischof Joseph Ratzinger, der spätere Papst, "verantwortlich zugestimmt", den Geistlichen H. wieder in der Gemeindearbeit einzusetzen, obwohl dem Erzbistum München und Freising die sexuellen Übergriffe durch H. bekannt gewesen seien, heiße es in der Anklage weiter.
Der emeritierte Papst hatte dies stets bestritten und auch, dass er an der Entscheidung zur erneuten Einsetzung des aus Essen nach München gewechselten Geistlichen beteiligt gewesen sei.
Dekret und Münchner Missbrauchsgutachten als Grundlage
In der Klage stütze sich der Anwalt auf ein außergerichtliches Dekret zum Fall H. aus dem Jahr 2016 und auf die Münchner Missbrauchsstudie aus dem Jahr 2022. In ersterem sei von einer Pflichtverletzung der damals Verantwortlichen die Rede gewesen. Auch das Münchner Missbrauchsgutachten habe eine Mitverantwortung der Kirchenoberen des Erzbistums festgestellt.
Da die Missbrauchstaten strafrechtlich weitgehend verjährt sind, hat der Berliner Rechtsanwalt des Opfers, Andreas Schulz, dem Medienbericht zufolge eine sogenannte Feststellungsklage eingereicht.
So könne zwar keine strafrechtliche Verfolgung, womöglich aber eine Feststellung der Schuld der Kirche erreicht werden. Sein Mandant hoffe, dass ein Gericht feststelle, dass H. ihn missbraucht habe und deswegen "zum Ersatz des Schadens ihm gegenüber verpflichtet ist", heiße es in der Klageschrift.
Kardinal Wetter: Kein Antrag auf Verjährung
Ob der emeritierte Papst und früherer Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger für die Übergriffe belangt werden kann, ist umstritten. Experten räumen der Klage dem Medienbericht zufolge Chancen ein, wenn die Kirche darauf verzichtet, sich auf Verjährung zu berufen, wie sie es bereits in den innerkirchlichen Verfahren getan hatte. Der frühere Münchner Erzbischof Kardinal Wetter habe angekündigt, keinen Antrag auf Verjährung stellen zu wollen, hieß es. Das Erzbistum München und Freising habe sich zu den Recherchen nicht offiziell äußern wollen.
Neben Ratzinger und Wetter sind dem Bericht zufolge auch der Täter selbst sowie der derzeitige Münchner Generalvikar Christoph Klingan von der Klage betroffen. Außer Wetter habe sich bisher niemand dazu geäußert. Das Erzbistum selbst habe sich zu einem laufenden gerichtlichen Verfahren nicht äußern wollen.
Missbrauchstäter aus dem Klerikerstand entlassen
Peter H. wurde in den 1970er Jahren im Bistum Essen übergriffig. Er wurde zu einer Therapie nach München geschickt. Diesem Schritt stimmte auch der damalige Erzbischof Joseph Ratzinger zu. Kurz darauf wurde H. wieder in der Gemeindeseelsorge eingesetzt. 1986 wurde er wegen Missbrauchs mehrerer Jungen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Trotzdem wurde er erneut in der Pfarrseelsorge eingesetzt und erst 2010 von seinen Ämtern entbunden.
2020 beorderte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck H. von Bayern nach Essen zurück, wo er ihn engmaschig kontrollieren ließ, um weitere Taten zu verhindern. Mitte Juni wurde bekannt, dass der Geistliche aus dem Klerikerstand entlassen wurde. Den Schritt hatte er selbst beantragt, nachdem der Vatikan ihn per Rechtsbelehrung im Zuge eines kirchenrechtlichen Verfahrens über diese Möglichkeit informierte, wie es damals hieß. Das Bistum Essen äußerte Bedenken gegen diesen Schritt, weil so keine Kontrolle mehr möglich sei.