Katholische Kirche blickt positiv auf NRW-Koalitionsvertrag

Knackpunkt stille Feiertage

Der Koalitionsvertrag für die NRW-Landesregierung ist noch frisch. Auf den beiden Parteitagen von CDU und Grünen muss er noch bestätigt werden. Die katholische Kirche findet darin Forderungen wieder. Aber es gibt auch Knackpunkte.

Hendrik Wüst und Mona Neubauer stellen NRW-Koalitionsvertrag der CDU und der Grünen vor / © David Young (dpa)
Hendrik Wüst und Mona Neubauer stellen NRW-Koalitionsvertrag der CDU und der Grünen vor / © David Young ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Koalitionsvertrag wurde unter der Leitung von Ministerpräsident Hendrik Wüst, einem bekennenden Christen, verhandelt. Inwiefern spielt denn die Kirche oder das, wofür die christlichen Kirchen in NRW stehen, im Koalitionsvertrag eine Rolle?

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros NRW): Wir haben zu Beginn der Koalitionsverhandlungen gemeinsam mit dem evangelischen Büro einen ausführlichen Brief an Hendrik Wüst und an Mona Neubauer, die Vorsitzende der Grünen, geschrieben. Darin haben wir die politischen Themen, die für uns als katholische und evangelische Kirche wichtig sind, aufgegriffen und unsere Forderung formuliert. Ein Teil davon findet sich auch durchaus in dem Koalitionsvertrag wieder.

Insgesamt wird in einem eigenen Abschnitt zum Thema Kirchen- und Religionsgemeinschaften der Beitrag der Kirchen und der anderen Religionsgemeinschaften zum Gelingen unserer Gesellschaft und zum Gelingen unseres Landes durchaus gewürdigt. Das ist zunächst einmal ein positiver Anknüpfungspunkt.

DOMRADIO.DE: Welche Forderungen, die Sie in dem Brief formuliert haben, sind denn konkret drin?

NRW-Koalitionsvertrag von CDU und Grüne

Mit ihrem Koalitionsvertrag sehen Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Grünen-Landeschefin Mona Neubaur ein solides Fundament für fünf Jahre Regierungsarbeit gelegt. "Dieses Werk trägt inhaltlich, aber vor allem auch persönlich", sagte Wüst am 23. Juni. Es sei gelungen, "vermeintliche Gegensätze zu versöhnen." Grünen-Parteichefin Mona Neubaur betonte fünfeinhalb Wochen nach der Landtagswahl, in den nächsten fünf Jahren solle NRW sozial gerechter, ökologischer, digitaler, wirtschaftlich stärker werden.

Hendrik Wüst und Mona Neubauer stellen NRW-Koalitionsvertrag der CDU und der Grünen vor / © David Young (dpa)
Hendrik Wüst und Mona Neubauer stellen NRW-Koalitionsvertrag der CDU und der Grünen vor / © David Young ( dpa )

Hamers: Besondere Politikfelder sind für uns der schulische Bereich und die frühkindliche Bildung. Im schulischen Bereich gab es insbesondere im grünen Parteiprogramm einige Forderungen, die in eine stärker säkulare Gesellschaft gehen. Zum Beispiel haben sie gefordert, dass das Erziehungsziel "Ehrfurcht vor Gott", was in der Verfassung und im Schulgesetz steht, gestrichen werden soll. Das findet sich zum Beispiel im Koalitionsvertrag nicht wieder.

Bei der Weiterentwicklung des Religionsunterrichtes, die wir zum Teil auch befürworten, also eine konfessionelle Kooperation und auch eine punktuelle themenbezogene Kooperation mit Religionsunterricht anderer Konfessionen oder Religionen waren die Grünen relativ weitreichend.

Das ist jetzt in dem Koalitionsvertrag eher an dem orientiert, was wir bereits mit der evangelischen Kirche an konfessioneller Kooperation vereinbart haben. Damit sind wir ganz zufrieden.

DOMRADIO.DE: Wie sozial wird die neue Politik von Schwarz-Grün?

Hamers: Das ist eine große Herausforderung angesichts der Punkte, die uns ins Haus stehen. Zu nennen ist beispielsweise die Frage nach der ausreichenden Anzahl von Wohnungen, aber auch die Verteuerung von Energiekosten.

Es gibt eine Reihe ganz guter Punkte, die da drinstehen. Insbesondere auch in der Bildungspolitik wird ausdrücklich gesagt, dass Schulen in den sozialen Brennpunkten eine besondere Förderung erhalten sollen. Das halte ich auch für richtig.

In den Bereichen, wo das Land zum Beispiel Wohnraumförderung oder anderes betreiben kann, ist die Erwartung natürlich die, dass das Land das auch tut, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und auf diese Weise dazu beizutragen, dass möglichst viele Leute bezahlbaren Wohnraum bekommen.

DOMRADIO.DE: Der Koalitionsvertrag legt einen starken Akzent auf die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Sicherheit. Sind Sie damit einverstanden?

Hamers: Ja, absolut. Wir haben in unserem Schreiben, das wir an die Koalitionspartner geschickt haben, auch ausdrücklich auf den Klimaschutz hingewiesen und gesagt, dass Klimaschutz und die sozialen Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.

Denn Nachhaltigkeit hat immer drei Dimensionen: erstens die der Ökologie, des Umweltschutzes.

Zweitens die des Sozialen. Es gilt also zu schauen, dass es auch sozial gerecht vonstatten geht, dass es auch für den Einzelnen bezahlbar bleibt.

Drittens die wirtschaftliche Dimension. Das heißt, es muss weiterhin möglich sein, auch Wirtschaft und Industrie unter diesem Aspekt zu verwirklichen.

Es ist gerade an einem Standort wie Nordrhein Westfalen wichtig, wo wir eine große Industrie haben, dass man diese ökologischen, wirtschaftlichen und ozialen Aspekte gut miteinander in Einklang bringt. Ich glaube, dass die jetzige Regierungskoalition gut dafür gerüstet ist, gute Lösungen dafür zu entwickeln. Aber da werden sie sicherlich auch dran gemessen werden.

DOMRADIO.DE: Wo liegen denn Knackpunkte, das heißt, wo könnte die neue Regierungskoalition auch von den Kirchen Gegenwind kriegen?

Hamers: Ein Punkt, wo das sicherlich eine Rolle spielen kann, ist die Frage der stillen Feiertage. Die Grünen hatten bereits in ihrem Wahlprogramm gefordert, dass die sogenannten stillen Feiertage abgeschafft werden sollen. Als kirchlicher Feiertag ist da insbesondere der Karfreitag mit gemeint. An den stillen Feiertagen sind ja bestimmte Dinge verboten, wie zum Beispiel Tanzveranstaltungen, Aufmärsche oder Volksfeste.

Die Abschaffung würde den Karfreitag und auch Allerheiligen betreffen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionspartner darauf verständigt, dass man einen Prozess starten will und Gespräche mit den Kirchen in diesem Zusammenhang führen möchte, um zu schauen, dass man da zu einer guten Lösung kommt. Dadurch sollen die verschiedenen Interessen, also die religiösen auf der einen und die säkularen Interessen auf der anderen Seite, miteinander in Einklang gebracht werden. Das ist sicherlich ein Knackpunkt. Da müssen wir jetzt schauen, wie das konkret ausgestaltet wird.

Das Interview führte Martin Mölder.

Quelle:
DR