DOMRADIO.DE: Bislang können Laien vorab befragt werden, wen sie einen Bischof für geeignet halten. Das kann der päpstliche Gesandte erfragen, er muss es aber nicht. Gibt es tatsächlich, nach jetzigem Stand, keine weiteren Möglichkeiten, wie Laien bei der Bischofswahl beteiligt werden können?
Prof. Dr. Bernhard Sven Anuth (Lehrstuhlinhaber für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen): Tatsächlich kirchenrechtlich nicht, zumindest nicht als Gremien oder als Gruppen. Sie haben ja gerade schon erwähnt, dass der päpstliche Gesandte im Vorfeld einer Bischofsbestellung durchaus einzelne Gläubige befragt. Und das können auch Kleriker sein. Das können neben Klerikern auch Laien sein, aber eben nicht im Sinne einer repräsentativ gewählten, nach einem demokratischen Muster zustande gekommenen Gruppe oder einem Gremium. Das ist ausdrücklich nicht vorgesehen.
DOMRADIO.DE: Der Vorschlag aus Paderborn möchte aber, dass Laien und das Domkapitel eine Vorschlagsliste mit Kandidaten gemeinsam erstellen, die dann dem Nuntius zugeleitet wird. Der Papst schickt dann eine Liste mit drei Namen nach Paderborn zurück. Schauen wir erst einmal auf diesen Schritt. Lässt sich eine gemeinsame Vorschlagsliste von Laien und Domkapitel kirchenrechtlich schnell regeln. Geht das so einfach?
Anuth: Das Domkapitel kann sich, bevor es seine Vorschlagsliste nach Rom schickt, mit anderen Gläubigen beraten, gegebenenfalls auch mit einer Gruppe von Gläubigen, die jetzt im Sinne des Paderborner Modells durch Los aufgrund von Vorschlägen zustande kommt. Aber das ist keine Beteiligung von Laien an der Bischofswahl, das muss man klar sagen, denn diese Vorschlagsliste des Kapitels bindet den Papst überhaupt nicht. Entscheidend ist, welche Liste anschließend aus Rom dem Domkapitel zur Wahl vorgelegt wird. Welche Namen darauf stehen, unterliegt dem päpstlichen Geheimnis. Das heißt, ein Abgleich der vorgeschlagenen Kandidaten des Domkapitels, gegebenenfalls mit einer solchen Gruppe von Gläubigen mit der nachherigen Wahlliste, ist kirchenrechtlich überhaupt nicht möglich.
DOMRADIO.DE: Das päpstliche Geheimnis wurde im Fall von Paderborn auch schon berücksichtigt, nämlich damit sich die Gläubigen beteiligen können. Müsste Rom dann das päpstliche Geheimnis auf diese Gruppe ausdehnen? Lässt sich das denn so einfach machen?
Anuth: Grundsätzlich ist der Papst frei, vom päpstlichen Geheimnis zu befreien. Aber es gibt keinerlei Rechtsanspruch darauf. Und ich halte es auch für sehr unwahrscheinlich, dass er diesen Schritt gehen wird. Denn die Tendenz kirchenrechtlich und kirchenpolitisch bisher war stets, gerade keine Gremien, erst recht keine Gremien von Laien, zu beteiligen.
Deshalb hat der Nuntius auch immer nur einzelne Gläubige befragt und diese dann auch an das päpstliche Geheimnis gebunden. Das heißt, der Apostolische Stuhl will ausdrücklich nicht mit Voten von Gremien konfrontiert werden, dass er von dieser Linie abweicht. Er hat diese Linie in der Vergangenheit mehrfach eingeschärft. Und dass er davon jetzt abweicht, halte ich für unwahrscheinlich. Und solange das päpstliche Geheimnis gilt, würden sich die Domkapitulare kirchenrechtlich sogar strafbar machen, wenn sie Laien mitteilen, wer auf der Liste aus Rom steht.
DOMRADIO.DE: Wenn man die Beteiligung der Laien ernst nimmt, müsste das ja auch zum Beispiel heißen, dass die Laien einen Kandidaten ablehnen können, der vielleicht vom Domkapitel gerne gewählt werden würde oder sogar gewählt worden ist. Ist denn eine solche Regelung, eine solche "Macht" der Laien realistisch?
Anuth: Überhaupt nicht, denn das Wahlgremium ist das Domkapitel. Und auch das ist ja eine weltweite Ausnahmesituation. Das, was wir in Deutschland als den üblichen Fall kennen, dass in der Mehrzahl der deutschen Diözesen Bischöfe von den Domkapiteln gewählt werden, ist vertraglich zugestanden.
Im Regelfall gilt in der Weltkirche, dass der Papst die Bischöfe frei ernennt und lediglich konkordatär hat er in Ausnahmefällen ein solches Wahlrecht des Domkapitels zugestanden. Und das Wahlgremium ist das Domkapitel und nicht ein additiv hinzukommendes Gremium von Laien. Das heißt, allenfalls könnte sich ein Domkapitel selbst verpflichten, niemanden zu wählen, der nicht auch eine Mehrheit von Laien bekommt. Immer vorausgesetzt, das päpstliche Geheimnis wird aufgehoben. Aber mehr als diese Absichtserklärung, im Sinne einer Selbstverpflichtung, ist vom Domkapitel nicht zu erwarten und kann es auch nicht zugestehen.
DOMRADIO.DE: Ein wichtiges Stichwort ist auch immer die Weltkirche. Sie haben ja schon gesagt, dass wir aufgrund des Preußen-Konkordats in Deutschland eine "Extrawurst" haben. Blicken wir mal ein bisschen in die Zukunft. Ist es denn überhaupt realistisch, dass auch mal in anderen Teilen dieser Welt Laien mehr eingebunden werden, was die Wahl der Bischöfe anbetrifft? Oder ist das komplett unrealistisch?
Anuth: Ich habe keine Glaskugel, in der ich jetzt in die Zukunft schauen kann, aber ich halte es aufgrund der kirchenrechtlichen Lage und der seit Inkrafttreten des kirchlichen Gesetzbuchs von 1983 in dieser Hinsicht vertretenen Politik des Apostolischen Stuhls für extrem unwahrscheinlich, dass Laien künftig an Bischofswahlen beteiligt werden. Es hat verschiedene Vorstöße ja schon Ende der 1990er Jahre gegeben, und da hat der Apostolische Stuhl sehr deutlich eingeschärft, dass solche Modelle nicht kirchenrechtskonform sind. Bischöfe, die sich entsprechend bemüht hatten, wurden aufgefordert, diese Vorstöße zurückzuziehen.
Der Anspruch des Papstes ist, dass er die Bischöfe frei ernennt. Das gesamte Verfahren auch von Vorschlagslisten, sogenannte absolute Listen, sollen in Rom mit geeigneten Kandidaten eingereicht werden. Und wenn ein konkreter Bischof zu bestellen ist, dann können sogenannte relative Listen eingereicht werden, die einmal von den Bischöfen der Kirchenprovinz und jetzt bei uns auch konkordatär durch das Domkapitel einzureichen sind. All diese Vorschlagslisten wie auch die Befragung des Nuntius von einzelnen Gläubigen unterliegen alle strikter Geheimhaltung. Das heißt, es ist das klare kirchenrechtliche Signal: Der Papst soll in seiner Freiheit nicht eingeschränkt sein.
Das Interview führte Mathias Peter.