Wittenberg erfindet sich nach dem Reformationsjubiläum neu

Luther als Che Guevara und starke Frauen

Nach dem Besucheransturm des Reformationsjubiläums von 2017 erfindet Wittenberg sich neu. Nicht nur Martin Luther, sondern auch starke Frauen wie Katharina von Bora und Erlebnisführungen sollen Touristen anlocken.

Autor/in:
Bettina Gabbe
Martin Luther Skulptur an der Hafeneinfahrt in Wittenberg / © Martin Jehnichen (KNA)
Martin Luther Skulptur an der Hafeneinfahrt in Wittenberg / © Martin Jehnichen ( KNA )

Auf dem Weg in die Altstadt von Wittenberg zeigt der Busfahrer Besuchern stolz das Haus, in dem der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) wohnt.

Altstadt mit Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © LiliGraphie (shutterstock)
Altstadt mit Wittenberger Stadtkirche Sankt Marien / © LiliGraphie ( shutterstock )

Wittenberg ist in seinen Augen bedeutender als die Landeshauptstadt Magdeburg. Fünf Jahre nach dem Reformationsjubiläum bemühen sich viele Menschen in der Universitätsstadt an der Elbe, Wittenberg nicht nur als "Lutherstadt" zu präsentieren.

Martin Luther steht noch im Zentrum

Ob Event-Führungen rund um die Pest oder das Brauwesen oder ein Abend unter dem Titel "Erotisches zur Nacht" mit 5-Gänge-Menü rund um "kulinarische Verführung" - die Stadtverwaltung spricht unterschiedlichste Besucherinteressen an.

Doch Martin Luther, der 1517 in der Schlosskirche Wittenberg seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche veröffentlichte und die Reformation in Gang setzte, steht für viele Touristen noch immer im Zentrum.

Eine Statue von Martin Luther in Wittenberg / © photolike (shutterstock)
Eine Statue von Martin Luther in Wittenberg / © photolike ( shutterstock )

Auf der Flaniermeile in der Altstadt bieten Souvenir-Läden T-Shirts in Gelb, Grün und Lila mit schwarzem Luther-Konterfei an, das an den Revolutionär Che Guevara erinnert - nur trägt Luther statt des roten Sterns ein Herz am Barett.

Starke Frau - Katharina von Bora

Katharina von Bora, die Ehefrau des Reformators, wird bei einer Führung zu den Luther-Stätten als früh emanzipierte Frau präsentiert, die unter dem Eindruck der Reformationsideen aus dem Kloster floh. Sie gilt als starke Frau und kluge Wirtschafterin eines riesigen Haushalts.

Katharina von Bora und ihr Mann Martin Luther / © Jens Kalaene (dpa)
Katharina von Bora und ihr Mann Martin Luther / © Jens Kalaene ( dpa )

Im Hof des Lutherhauses probieren Besucher Früchtebrot als "Gruß aus Käthes Küche". Vor dem Haus steht ein Katharina-von-Bora Denkmal. Mittlerweile äußerten Wittenberg-Touristen wachsendes Interesse an ihr und ihrem Haushaltsmanagement, erzählt Stadtführerin Bettina Brett. Aber: "Ohne Heirat ging es nicht", sagt sie und betont, es sei keine Liebesheirat gewesen: "Man respektierte sich."

Eine entlaufene Nonne, die keine Mitgift mitbrachte: Katharina von Bora habe nicht den damaligen Erwartungen entsprochen, erklärt Brett den Besucherinnen und Besuchern. Luthers spätere Ehefrau sei 1523 in einem "risikoreichen Unterfangen" aus dem Kloster geschmuggelt worden. Die Legende, der zufolge die damalige Ordensfrau das Kloster in Fischfässern versteckt verließ, sei allerdings nicht belegt.

Alltag der Familie

An Buchdrucken aus der Lutherzeit vorbei geht es zu Holz-Modellen, die den Alltag der Familie zeigen. Rund um den Esstisch sind zahlreiche kleine Holzfiguren angeordnet: Die Eheleute aßen nicht allein mit ihren Kindern zu Abend, sondern mit einer ganzen Schar von Bediensteten. Die Stadtführerin beschreibt Katharina von Bora in diesem Zusammenhang als Managerin eines Familienunternehmens, die sich auch mit der Frau des Reformators und Luther-Freundes Philipp Melanchthon austauschte.

Historische Druckerpresse

Unweit des Lutherhauses liegt das Wittenberger Cranach-Haus, wo Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) seine Malerstube hatte und seine Druckerei betrieb. Den Besucherinnen und Besuchern wird noch heute eine historische Druckerpresse vorgeführt. Statt eines Holzblocks verwendet der Drucker Andreas Metschke eine Linoleum-Platte. Das moderne Material halte länger, erklärt der Mann, der für die Touristenvorführung ein altertümliches Hemd und eine Kopfbedeckung aus grobem Leinen trägt.

Mit zwei faustgroßen Ballen bringt er tiefschwarze, cremige Farbe auf den Druckstock auf und legt Papier ein. Anschließend darf ein Besucher mit viel Kraft den Hebel umlegen, der sich mit einem lauten Quietschen senkt und so den eigentlichen Druck anfertigt. Im benachbarten Cranach-Hof tummeln sich derweil Kinder um eine Cranach-Statue aus Bronze mit reliefartig gefasstem Luther-Porträt, das sie mit Bleistift auf Papier durchpausen.

Zur Reformation beigetragen

Die Cranachs haben durch Drucke und Illustrationen von Luthers Schriften und dessen Bibelübersetzung sowie durch Porträts zur Verbreitung der Reformation beigetragen, wie Marlies Schmidt erklärt, die stellvertretende Direktorin der Cranach-Stiftung. Wahrscheinlich sei dort auch das "Septembertestament" von 1522 gedruckt worden, die erste Ausgabe von Luthers Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche.

Marlies Schmidt beschreibt die Cranachs als modernes Familienunternehmen, das seine Wirtschaftsaktivitäten diversifizierte und zu den Mächtigen der Stadt gehörte. Lucas Cranach der Ältere habe auch einen Weinausschank, eine Apotheke und Immobilienhandel betrieben. "Außerdem waren Cranach der Ältere und später auch Cranach der Jüngere Mitglieder des Rates und Bürgermeister."

360-Grad Panorama "Luther 1517"

Wer in Wittenberg nicht nur alte Bilder und Drucke anschauen möchte, sondern sich mithilfe einer spektakulären Animation 500 Jahre zurückversetzen will, geht in das 360-Grad-Panorama "Luther 1517" des Künstlers Yadegar Asisi: Mit zahllosen Figuren und Musik werden die Besucher förmlich in die Lutherzeit eingehüllt.

Wichtige Daten aus dem Leben Martin Luthers

Am 31. Oktober 2017 jährte sich der Thesenanschlag Martin Luthers an der Wittenberger Schlosskirche zum 500. Mal. Einige wichtige Daten und Stationen aus dem Leben des  Reformators Martin Luther.

- 1483 (10.11.) Geburt in Eisleben

- 1501 Student in Erfurt

- 1505 Mönch in Erfurt

- 1506 Mönchsgelübde

- 1507 Priesterweihe

- 1512 Doktor der Theologie in Wittenberg

- 1517 Veröffentlichung der 95 Thesen zum Ablass

- 1521 Wormser Reichstag, Bannfluch des Papstes und Flucht auf die Wartburg, dort Übersetzung der Bibel

Martin Luther Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg / © Martin Jehnichen (KNA)
Martin Luther Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg / © Martin Jehnichen ( KNA )
Quelle:
epd