Sportfunktionärin sieht Parallelen von Fußball und Kirche

Frauen in der zweiten Reihe

Die Fußball-WM der Männer startet im Winter, heute beginnt aber die Europameisterschaft der Frauen. Die katholische Sportfunktionärin Ute Groth beklagt fehlende Aufmerksamkeit und sieht Gleichberechtigungsprobleme ähnlich zur Kirche.

Training der deutschen Nationalmannschaft der Frauen / © Sebastian Gollnow (dpa)
Training der deutschen Nationalmannschaft der Frauen / © Sebastian Gollnow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Heute Abend geht es los mit der Europameisterschaft im Frauenfußball und dem Eröffnungsspiel England gegen Österreich. Fiebern Sie denn heute Abend und in den nächsten Wochen genauso mit wie bei der EM der Männer letztes Jahr?

Ute Groth (DJK)
Ute Groth / ( DJK )

Ute Groth (Vorsitzende des Sportvereins DJK Tusa 06 in Düsseldorf): Nein, tatsächlich auch nicht. Aber das hat grundsätzlich etwas mit Fußball zu tun. Im Moment fiebere ich beim Fußball gar nicht so mit, es ist tatsächlich zunehmend uninteressanter geworden in den letzten Jahren, weil es so kommerzialisiert ist.

DOMRADIO.DE: Aber insgesamt nimmt das Interesse ja vor allem für Frauenfußball zu. Bei der letzten EM gab es einen Ticketverkauf von 274.000 Karten. Das wurde jetzt ja schon vorab überschritten. Wie erklären Sie sich denn diesen Anstieg insgesamt?

Groth: Also ich glaube, dass der Anstieg tatsächlich in England so hoch ist. Herr Neuendorf, der neue DFB-Präsident, hat gerade vor ein paar Wochen noch die Schlagzeile rausgehauen, dass in Deutschland die Zahlen der Frauen und Mädchen im Fußball dramatisch rückläufig sind.

Und ich glaube auch das Interesse in Deutschland – wenn man das jetzt vor den Tagen hier so liest – ist bei den Zuschauern relativ gering. Aber in England boomt der Frauenfußball und der Mädchenfußball, weil die da einfach in den letzten Jahren mehr gemacht haben, um es an die Öffentlichkeit zu bringen. Deswegen sind die Zahlen da so gut.

DOMRADIO.DE: Sie wissen ja zum Beispiel auch, wie es auf den unteren Ebenen bei uns in Deutschland funktioniert, also bei den Jugendmannschaften und in den Kreisligen zum Beispiel. Haben es da die Frauen schwerer als die Männer?

Groth: Also Frauen haben es schwerer, weil der Fußball immer noch eine Männerbastion ist. Und überall da, wo sich Frauen und Mädchen für Fußball interessieren und Mannschaften aufgemacht werden, müssen sie erst mal darum kämpfen, dass sie die gleichen Trainingszeiten auf den Plätzen haben und sie die gleichen Voraussetzungen haben wie die Jungs und die Männer. Das ist immer noch schwierig. Wir haben das bei uns im Verein zwölf Jahre exerziert. Jetzt haben bei uns die Mädchen und Frauen die gleichen Möglichkeiten und deswegen steigen bei uns auch die Zahlen. Aber das ist lange noch nicht überall so, also das ist immer noch ein Problem. Zweite Reihe.

Ute Groth

"Und die Frauen werden auf die Nebenplätze bugsiert mit dem Argument es kommen ja so wenig Zuschauer, aber es wird ja auch öffentlich nur ganz wenig getan."

DOMRADIO.DE: Ich vermute ja mal, dass einigen gar nicht klar ist, dass der DFB, der Deutsche Fußballbund oder die UEFA auf europäischer Ebene auch für den Frauenfußball zuständig sind. Welche Rolle spielen denn Frauen im Profifußball?

Groth: Also hier in Deutschland auch noch eine sehr untergeordnete Rolle. Bei den Profispielen in der Bundesliga sind im Schnitt so, wenn man das liest, 1.000 Zuschauer bei den Frauen und bei den bei den Herren sind dann irgendwie mindestens ja 30.000 oder noch mehr. Und die Frauen werden auf die Nebenplätze bugsiert mit dem Argument es kommen ja so wenig Zuschauer, aber es wird ja auch öffentlich nur ganz wenig getan.

Also wenn Sie sich die Sportseiten, die Ergebnisseiten im Sport ansehen, in Tageszeitungen am Montag oder Dienstag, dann ist die ganze Seite voll mit Ergebnissen vom Männersport und beim Frauensport sieht es mau aus. Das sind dann von 100 Nachrichten vielleicht drei oder vier. Also die Öffentlichkeit für Frauensport insgesamt – nicht nur für Fußball – ist noch sehr, sehr gering. Da tut keiner was dran. Männer machen ja sicherlich auch die Sportseiten, im Radio machen ja auch viele Männer vorwiegend die Radiosendungen.

Ute Groth

"Aber auch da würde es sicherlich gesellschaftlich guttun, wenn 50 Prozent der Bevölkerung auch in Führungsebenen der katholischen Kirche vertreten sind."

DOMRADIO.DE: Sie kommen ja von einem katholischen Sportverband. Sehen Sie denn da Parallelen zwischen der Rolle der Frauen im Sport und in der Kirche? In der Kirche kämpfen ja Frauen auch auf einem langen Weg der Gleichberechtigung.

Groth: Also ich sage mal so, wir sind ja in einem katholischen Sportverband, im DJK-Sportverband, und da ist es schon länger üblich, dass da Frauen in Führungspositionen sind. In der katholischen Kirche insgesamt natürlich noch nicht, das wissen wir.

Aber auch da würde es sicherlich gesellschaftlich gut tun, wenn 50 Prozent der Bevölkerung auch in Führungsebenen der katholischen Kirche vertreten sind. Das wäre sicherlich ein gutes Zeichen für alle.

DOMRADIO.DE: Sie sehen also sowohl Gemeinsamkeiten als auch große Unterschiede, was die Rolle der Frau in Kirche und Sport angeht?

Groth: Ja. Also wir müssen im DFB, im Fußball und überhaupt im Mannschaftssport für Frauen mehr tun. Wir sind 50% der Bevölkerung, aber es repräsentiert sich nicht. Und in der katholischen Kirche oder auch in der evangelischen Kirche ist es ja auch ähnlich, dass da Frauen unterrepräsentiert sind. Da muss sich was tun.

Das Interview führte Julia Reck.

Umfrage: Mehrheit für gleiche Erfolgsprämien bei Fußballerinnen

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist dafür, dass die Fußball-Nationalspielerinnen die gleichen Erfolgsprämien bekommen sollen wie ihre männlichen Kollegen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur vor der am Mittwoch beginnenden Europameisterschaft in England hervor. Demnach sind 67 Prozent der Befragten für eine gleiche Bezahlung. 18 Prozent sind dagegen, 15 äußerten keine Meinung.

Ein Fußball auf einem Spielfeld / © Bogdan Kovenkin (shutterstock)
Ein Fußball auf einem Spielfeld / © Bogdan Kovenkin ( shutterstock )
Quelle:
DR
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