Verstößt die Lindner-Hochzeit gegen Kirchenrecht?

"Ich hätte damit Bauchschmerzen"

Kirchliche Trauung als reines Hochglanz-Event? Finanzminister Lindner und die Journalistin Lehfeldt sind aus der Kirche ausgetreten. Ist die Hochzeit auf Sylt am Samstag ein Bruch mit dem Kirchenrecht? Ein Kölner Pastor sieht das so.

Christian Lindner und seine Lebensgefährtin Franca Lehfeldt haben geheiratet / © Axel Heimken (dpa)
Christian Lindner und seine Lebensgefährtin Franca Lehfeldt haben geheiratet / © Axel Heimken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn zu Ihnen zwei Leute kommen, die beide nicht evangelisch sind und die gerne von Ihnen kirchlich getraut werden möchten, was geschieht dann?

Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche
Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche

Markus Herzberg (Kölner Citykirchenpfarrer): Dann frage ich sie erst mal nach dem Grund, warum ihnen das denn wichtig ist. Wenn sie sagen, dass sie es ganz wichtig für sich finden, eine kirchliche Trauung feiern zu wollen, dann biete ich den beiden herzlich gerne an, einen von beiden oder beide in die Kirche wieder aufzunehmen.

DOMRADIO.DE: Wie ist das kirchenrechtlich geregelt?

Herzberg: Die Kirchenordnung im Rheinland und auch der Nordkirche, wo diese Trauung am Samstag stattfinden soll, ist da sehr eindeutig: Eine oder einer von beiden muss Mitglied der evangelischen Kirche sein.

DOMRADIO.DE: Es ist der Öffentlichkeit nicht bekannt, dass er oder sie wieder in die Kirche eingetreten ist. Warum kann das Paar dennoch kirchlich getraut werden?

Herzberg: Das kann ich Ihnen auch in dem Fall nicht sagen, weil wir ja nicht wissen, was sie mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer vor Ort besprochen haben. Vielleicht ist sogar eine oder einer von beiden wieder eingetreten.

Aber es ist ein ambivalentes Thema. Vielleicht will man damit auch zeigen, wie schön es in der Kirche ist und sieht das als missionarischen Aspekt und denkt, danach treten sie wieder ein. Ich hätte damit Bauchschmerzen.

DOMRADIO.DE: Weil es da vielleicht nur um tolle Bilder geht?

Standesamt: Finanzminister Lindner und seine Lebensgefährtin haben geheiratet (dpa)
Standesamt: Finanzminister Lindner und seine Lebensgefährtin haben geheiratet / ( dpa )

Herzberg: Wir aus dem Pfarrberuf kennen, dass Menschen mit ihren Fragen zu uns kommen. Da sind natürlich auch Paare, die nicht in der Kirche sind und heiraten möchten. Dann trifft man sich zu einem Gespräch. Dann frage ich die Paare: "Warum wollt ihr denn kirchlich heiraten und warum wollt ihr nicht in der Kirche sein?"

Wenn jemand mir dann sagt, er oder sie wolle auch für die Trauung nicht eintreten, dann ist es auch berechtigt zu fragen, ob es nur um die Kulisse und um eine schöne Gestaltung geht oder um das, was eigentlich bei der kirchlichen Trauung im Vordergrund steht, nämlich Gottes Segen für das gemeinsame "Ja" zu einem gemeinsamen Leben?

DOMRADIO.DE: Also ist es wie in einem Verein, in dem man Mitglied sein muss, um am Training teilnehmen zu dürfen?

Markus Herzberg

"Es ist ja schon auch ein bisschen schräg. Das ist schon ein großes Thema mit Ambivalenzen."

Herzberg: Na ja. Der Vergleich hinkt ein bisschen. Die Kirche ist ja nicht irgendein Turnverein. Es geht uns um ein bisschen mehr als um eine reine Mitgliedschaft. Ich finde in der Tat, dass man in Einzelfällen auch nicht nur das Kirchenrecht in all seinen Facetten 100 prozentig umsetzt, sondern es geht um Menschen. Da suchen wir immer auch nach Lösungen.

Aber wenn man kirchlich heiraten möchte und nicht eintreten will, dann finde ich es schon legitim zu fragen, was denn all den anderen damit suggeriert wird. Christliche Kirche ist immer Gemeinschaft. Es gibt kein Christentum als Privatreligion und alle anderen tragen das durch ihren Solidarbeitrag. Alle in der Kirche sorgen dafür, dass es Kirchen gibt, dass es einen Küster gibt, dass es eine Pfarrerin gibt, einen Kirchenmusiker.

Dann könnte man sich schon fragen, warum man diese Solidarbeiträge für die Gemeinschaft bezahlt, wenn Leute, die nicht zu dieser Gemeinschaft gehören wollen, trotzdem bestimmte Dinge beanspruchen. Es ist schon ein bisschen schräg. Das ist schon ein großes Thema mit Ambivalenzen.

DOMRADIO.DE: Wie ist es denn beispielsweise bei Beerdigungen?

Herzberg: Da hat sich das Kirchenrecht in den letzten Jahren zum Guten geändert. Es war früher so, dass man für eine kirchliche Bestattung auch zur Kirche gehört haben musste. Aber es geht um die Angehörigen, also die, die trauernd sind.

Wenn die in der Kirche sind und der Verstorbene nicht mehr, dann kann man aus seelsorgerlichen Gründen für die trauernden Angehörigen trotzdem ein christliches Begräbnis stattfinden lassen. Das finde ich auch sehr richtig, weil es da um Menschen geht, um einen seelsorgerlichen Prozess. Bei der Trauung ist das ein bisschen was anderes.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Nordkirche rechtfertigt kirchliche Trauung von Lindner und Lehfeldt

Angesichts nicht abreißender Kritik hat die evangelische Nordkirche die Entscheidung gerechtfertigt, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und seine Frau Franca Lehfeldt kirchlich zu trauen. Zwar sehe die Lebensordnung der Nordkirche vor, dass bei einer Trauung mindestens ein Partner Mitglied der evangelischen Kirche sein soll, sagte der evangelische Bischof von Schleswig und Holstein, Gothart Magaard. Ausnahmen lägen jedoch im Ermessen des Seelsorgers. "Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen", betonte der Theologe.

St. Severins Kirche auf Sylt: Event-Location? (dpa)
St. Severins Kirche auf Sylt: Event-Location? / ( dpa )
Quelle:
DR