Bonifatiuswerk: Sie haben schon Bücher über Wertschätzung und Respekt geschrieben. Wie können wir diese Werte in der heutigen Krisen- und Kriegszeit aufrechterhalten?
Tim Niedernolte (Mitglied der Jury für den Bonifatiuspreis 2022, ZDF-Moderator und Autor): Indem wir sie umso mehr und immer wieder neu (vor-)leben. Im Kleinen wie im Großen. Denn dass diese Werte und auch das Wissen um ihre Bedeutung und ihre Durchschlagskraft fehlen, erleben wir gerade täglich neu. Teilweise ja auf unfassbar brutale und bedrückende Weise.
Und so plädiere ich dafür, sich bewusst zu machen, welch´ einen Unterschied ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander macht. Dass wir in unserem ganz persönlichen Umfeld vorangehen mit einem Blick für den Nächsten und die Nächste, liebevolle Beispiele in Umlauf bringen, die Kreise ziehen, und die gerade in Kriegs- und Krisenzeiten umso heller strahlen und auffallen.
Bonifatiuswerk: Wie nehmen Sie die christlichen Werte ganz konkret in Ihrem Umfeld, in Ihrer täglichen Arbeit wahr?
Niedernolte: Das kann ganz unterschiedlich sein und zieht sich im Grunde durch den ganzen Tag. Von der Fahrt zur Arbeit, über den Umgang untereinander in Redaktion und Studio bis hin zum Einkaufen nach Feierabend oder einem Gespräch mit Freunden an der Bar: ganz oft werden christliche Werte wunderbar gelebt – ob bewusst oder unbewusst.
Ich sage nur Rücksicht nehmen, Hilfsbereitschaft, Fehler verzeihen oder ins Gespräch kommen und auch bei unterschiedlichsten Meinungen und trennenden Ansichten den Menschen sehen. Oft aber auch nicht. Und ich nehme mich da selbst nicht aus. Weshalb wir im Grunde wieder bei der Einstiegsfrage wären: Nächstenliebe, Wertschätzung, Respekt und Co. haben täglich neu Luft nach oben in unser aller Alltag.
Bonifatiuswerk: Inwiefern beeinflusst der Glaube Ihren Alltag?
Niedernolte: Auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Als Kompass beispielsweise, als Quelle der Inspiration. Als Richtschnur. Er gibt mir Halt, hilft mir, meine Prioritäten zu sortieren. Beflügelt. Spendet Trost. Trägt.
Bonifatiuswerk: Das Motto des Bonifatiuspreises 2022 lautet: „Mut machen. Neue Wege gehen!“ Was für einen „Entdeckergeist“ braucht es für die Kirche der Zukunft?
Niedernolte: Im Grunde genau den, der in diesen beiden Schlagzeilen des Mottos aus meiner Sicht ja schon bestens beschrieben ist: die Sache mit dem Mut. Unbedingt ganz viel davon. Kann nie schaden und hilft, Grenzen zu überwinden und sich neu zu erfinden. Wobei wir dann auch schon direkt bei der zweiten Sache sind, den neuen Wegen nämlich. Wer in die Zukunft will, braucht neue Wege. Denn nur die führen in der Regel dorthin.
Bonifatiuswerk: Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft der Kirche?
Niedernolte: Also, da bediene ich mich bei meinen Wünschen gerne aus der vorherigen Antwort: Den Mut für neue Wege. Ist nicht immer leicht, gerade wenn man in einem Feld unterwegs ist, in dem Traditionen eine große Rolle spielen. Weshalb ich der Kirche genau diesen Mut wünsche. Und ich wünsche allen, die sich in Kirche und für Kirche einsetzen, dass sie nie, nie, nie den einzelnen Menschen aus dem Blick verlieren. Um den geht’s, den Menschen. Uns Menschen. Alle Menschen. Bei allem.
Bonifatiuswerk: Wie kann die Vergabe des Bonifatiuspreises einer lebendigen und nachhaltigen Glaubensvermittlung zugutekommen?
Niedernolte: Jedes einzelne eingereichte Projekt, jede umgesetzte Idee trägt dazu bei. Denn egal ob am Ende mit einem Preis ausgezeichnet oder nicht – hier kommen jede Menge wunderbare Beispiele gelebten Glaubens und der Nächstenliebe zum Ausdruck. Und sie alle dienen damit als Inspiration für andere Gruppen, Gemeinden und Verbände. Nachahmen, umsetzen und weiterdenken unbedingt erlaubt und erwünscht.
Bonifatiuswerk: Was bedeutet für Sie persönlich missionarisches Handeln?
Niedernolte: In erster Linie vorleben. Das, was mir wichtig ist, mich ausmacht und mein Denken und Glauben prägt, das sollte sich auch immer in meinem Reden und Handeln widerspiegeln. Als Vater zweier kleiner Kinder weiß ich: Vorleben „is the key“. Ich kann noch so viele tolle Argumente und Wünsche formulieren – wenn ich sie unseren Töchtern nicht vorlebe, verpufft vieles.
Das Interview führte Theresa Meier, Redakteurin Bonifatiuswerk.