Katholischer Arzt bemängelt fehlendes Personal in Kliniken

"Die Lage ist definitiv angespannt"

In diesem Sommer macht die Corona-Pandemie keine Pause. Die steigenden Inzidenzen belasten vor allem Klinik-Mitarbeitende. Ein Chefarzt spricht über fehlende Fachkräfte, eine trügerische Normalität und Notfallpläne für den Herbst.

Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture (shutterstock)
Leerer Krankenhauskorridor / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO:DE: Über die Hälfte der deutschen Intensivstationen müssen ihren Betrieb einschränken, weil so viele Beschäftigte an Covid erkrankt sind. Wie sieht es aktuell bei Ihnen in Hamm aus?

Rainer Löb, Malteser-Bundesarzt / © privat (privat)
Rainer Löb, Malteser-Bundesarzt / © privat ( privat )

Dr. Rainer Löb (Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes und Chefarzt an der St. Barbara-Klinik Hamm): Bei uns ist das ähnlich, aber schon eine ganze Weile. Zum einen liegt das an Covid und den Mitarbeitern, die ausfallen, wie in allen anderen Berufen und Bereichen derzeit auch. Zum anderen ist es tatsächlich der Pflegemangel insgesamt, den wir schon eine ganze Weile haben. Diejenigen, die da sind, arbeiten was sie können und sind durch diese zusätzlichen Ausfälle mitten in der Ferienzeit noch stärker belastet.

DOMRADIO:DE: Laut dem Expertenrat der Bundesregierung ist die Lage in deutschen Krankenhäusern zwar nicht dramatisch, aber angespannt. Teilen Sie diese Einschätzung?

Löb: Absolut, die Lage ist definitiv angespannt, weil wir die Fachkräfte, die wir benötigen, in allen Bereichen eigentlich nicht haben. Das geht von der Pflege auf den Stationen über die Operationssäle bis hin zu den anderen Funktionsbereichen. Und natürlich ganz besonders auch die Intensivstationen, weil wir da - natürlich genau wie im OP und im Herzkatheter - besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen.

Dr. Rainer Löb

"Die Lage ist definitiv angespannt, weil wir die Fachkräfte, die wir benötigen, in allen Bereichen eigentlich nicht haben"

DOMRADIO:DE: Wie versuchen Sie sich denn angesichts des Personalmangels zu wappnen?

Löb: So wie wir es immer tun: Notfallpläne in der Schublade. Was Corona betrifft, sind wir jetzt schon geübt damit umzugehen. Nichtsdestotrotz drückt der Personalmangel. Die Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen erfahren das aktuell besonders durch den lange andauernden Streik. Das heißt, dort fallen noch wesentlich mehr Mitarbeiter aus. Die sind besonders gebeutelt im Augenblick. Aber wir versuchen tatsächlich, die Menschen dort zusammenzuziehen, wo wir sie brauchen. Im Vordergrund steht in jedem Fall, Notfälle zu versorgen.

Dr. Rainer Löb

"Im Vordergrund steht in jedem Fall, Notfälle zu versorgen"

Also in unserer Region kann man sagen, die Versorgung von Notfällen momentan absolut sichergestellt ist. Und nach dem, was ich höre, ist es an den Unikliniken eigentlich auch so, aber dann geht halt einiges andere nicht mehr.

DOMRADIO:DE: In den beiden vergangenen Corona-Sommern war das Pandemiegeschehen entspannter. Das ist jetzt anders - trotzdem scheinen viele Menschen das Virus nicht mehr so richtig ernstzunehmen. Wie problematisch ist das in Ihren Augen?

Löb: Dass sie es nicht mehr so richtig ernst nehmen, ist glaube ich recht klar, weil wir ja die ganze Welt quasi und auch Deutschland in einen Normalbetrieb zurückführen. In Krankenhäusern und Arztpraxen sieht das vollkommen anders aus. Da sind wir sozusagen immer noch im Hochsicherheitstrakt, weil wir dort gerade bei immungeschwächten Patienten, aber auch bei unseren Mitarbeitern Infektionen möglichst vermeiden wollen. Die Ansteckung findet klassischerweise nicht im Krankenhaus statt, sondern außerhalb. Das Ganze führt natürlich dazu, dass es sich recht weit verbreitet, weil alle Menschen wieder in die Begegnung mit anderen, auf Konzerte gehen wollen und Ähnliches.

Jetzt muss man sagen, das akuelle Covidgeschehen belastet unsere Intensivstationen momentan nicht so besonders, weil die meisten Verläufe moderat sind. Moderat heißt nicht nichts, sondern moderat heißt einige Tage schwere Kopfschmerzen oder auch hohes Fieber, man fühlt sich schlapp, unter Umständen auch noch eine Weile nach der Infektion. Aber es ist meistens nicht so, dass die Menschen auf die Intensivstation kommen.

DOMRADIO:DE: Mit was für einem Gefühl gucken Sie auf den kommenden Herbst?

Löb: Mit einem Gefühl, mit dem wir es im Krankenhaus eigentlich immer tun. Covid muss bei uns praktisch in die Normalität unseres Krankenhausalltags integriert sein. Wir werden versuchen, die Notfälle versorgen zu können und dann schauen, was wir bei den Patienten, die zum Beispiel geplante Operationen oder andere Eingriffe haben, noch leisten können.

Das Gespräch führte Heike Sicconi.

Weniger Krebsbehandlungen im Krankenhaus im ersten Corona-Jahr

Im ersten Corona-Jahr sind in Deutschland weniger Patientinnen und Patienten wegen einer Krebserkrankung im Krankenhaus behandelt worden. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag zum Weltkrebstag (Freitag) mitteilte, wurden im Jahr 2020 etwa 1,45 Millionen an Krebs erkrankte Menschen im Krankenhaus versorgt, 6 Prozent weniger als im Jahr 2019 mit 1,54 Millionen Patienten. Außer den Krebsbehandlungen sei auch die Zahl der Krebsoperationen in Krankenhäusern um 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung (dpa)
Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung / ( dpa )
Quelle:
DR