KNA: Herr Demmel, wie ist die Lage im deutschsprachigen Pilgerzentrum?
Werner Demmel (Pilgerseelsorger in Rom): Das Zentrum lebt von der Begegnung, dem Austausch, vom Helfen, vom Miteinander. Darum war die Corona-Pandemie eine große Herausforderung. Aber an Palmsonntag konnten wir endlich aufatmen: Die Welt in Rom hat sich auf einmal verändert und wurde einigermaßen normal. Das Pilgerwesen ist aufgeblüht; es kommen wieder Gruppen wie Pfarreien, Schulen und Firmlinge.
KNA: Über das Pilgerzentrum können Interessierte Karten für Generalaudienzen und Messen mit dem Papst auf dem Petersplatz anfragen. Was gehört noch zu ihren Aufgaben?
Demmel: Wir sind praktisch Koordinatoren und Organisatoren für deutschsprachige katholische Pilgergruppen. Die überlegen sich ein Programm und fragen uns an, beispielsweise für einen Gottesdienst in einer bestimmten römischen Kirche. Wir organisieren das dann vor Ort. Ähnlich einen Besuch von Rollstuhlfahrern in der Sixtinischen Kapelle. Grundsätzlich können Gruppen mit allen Anliegen zu uns kommen, und wir prüfen, was möglich ist. Ich selbst übernehme als Priester auch manchmal Messen, wenn der Pfarrer einer Gruppe - etwa krankheitsbedingt - ausfällt.
KNA: Da Sie so viele Anfragen für Messen in römischen Kirchen erhalten, gibt es "die Lieblingskirchen" der Deutschen?
Demmel: Ja, es gibt Lieblingskirchen, in die Deutsche gerne gehen. Sehr stark nachgefragt werden die beiden großen Papstbasiliken, der Petersdom und Santa Maria Maggiore. Viele Anfragen erhalten wir auch für San Pietro in Vincoli in der Nähe des Kolosseums, Santa Maria sopra Minerva, San Sebastiano fuori le mura und die Katakomben. Gefragt ist natürlich auch die deutschsprachige Nationalkirche Santa Maria dell'Anima.
KNA: Solche Anfragen zu Kirchen zählen zum täglichen Brot des Pilgerzentrums. Kommen Menschen auch mit kuriosen Anliegen?
Demmel: Oh ja, vor allem mit einem Anliegen, auch wenn es aktuell ein bisschen abgenommen hat: "Wie kann ich morgens mit dem Heiligen Vater in Santa Marta Gottesdienst feiern? Welche Zugangsbedingungen gibt es, und könnten Sie für uns anfragen?" Das ist noch harmlos. Es gab auch anderes, bei denen die Menschen keine Grenzen mehr kannten. Vielleicht ist es die Begeisterung - aber manchmal sind die Anfragen schon unrealistisch.
Andere möchten Päckchen mit besonderen Geschenken an den emeritierten Papst schicken. Vor allem kurz nach dem Rücktritt kamen teils riesige Pakete bei uns an; und wir wussten nicht, wie wir sie zum Vatikan transportieren sollten. Häufig haben uns schon Schweizergardisten ausgelacht, als wir kamen, und gesagt: "Auf was ihr euch alles einlasst!" Es kommen natürlich auch stapelweise Briefe und Geschenke für Papst Franziskus.
KNA: Gibt es Grenzen?
Demmel: Wir werden oft nach Dienstleistungen gefragt, die nicht in unsere Zuständigkeit fallen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die uns für ein Reisebüro halten. Aber wir waren auch schon eine Auffangadresse für Deutsche, die in Rom auf der Straße leben oder hierherkamen und nicht mehr weiterwussten. Da helfen wir natürlich. Man muss immer abwägen, ob wir es schaffen können oder es über unsere Grenzen hinausgeht.
KNA: Apropos "Reisebüro". Sie sind selbst seit 2013 hier und haben einige Sommer in Rom erlebt. Aktuell glüht die Stadt. Welche Tipps haben Sie für einen Rombesuch zu dieser Jahreszeit?
Demmel: Es gibt diesen Spruch: Im Juli und August sieht man in Roms Straßen nur Hunde und Deutsche - einfach weil die Römer zu dieser Jahreszeit die Stadt meiden. Das hat sich zwar gewandelt; aber grundsätzlich sollte man sich gut überlegen, ob man in der Sommerhitze nach Rom fährt oder die Reise nicht lieber in den kühleren Herbst verschiebt. Der Oktober ist für uns Deutsche hier noch fast sommerlich.
KNA: Und wenn es doch der Sommer sein soll ...
Demmel: ... sollte man sich den Tag gut einteilen: Frühes Aufstehen und aus dem Haus gehen, mittags wieder zurück, eine ausgedehnte Pause machen und am Abend wieder raus. Beispielsweise sind die vier Hauptbasiliken in Rom zwar durchgehend geöffnet; alle anderen Kirchen schließen aber in der Mittagszeit bis etwa 16.00 Uhr. Für die Zeit lässt sich auch ein Besuch in einem klimatisierten Museum einplanen. Und enorm wichtig: Immer genug trinken. Hier gibt es überall Brunnen, an denen man seine Flaschen auffüllen kann. Sie fließen durchgehend, so dass man sich keine Sorgen um Keimbelastung machen muss.
KNA: Wenn man dann unterwegs ist, was ist aus Ihrer Sicht - neben den großen Basiliken - wirklich sehenswert?
Demmel: Das kommt darauf an, was man mag. Für Liebhaber antiker Kunst würde ich den Palazzo Massimo alle Terme empfehlen, nahe dem Hauptbahnhof Termini. Bei Interesse an der "Unterwelt" und der frühen Christenheit empfehle ich eine der schönen großen Katakomben. Ich rate meistens zu den Domitilla-Katakomben. Zum einen gibt es dort immer eine deutsche Führung; zum anderen hat nur sie eine unterirdische Basilika. Ein weiteres Highlight ist für mich die Kirche San Clemente am Kolosseum. Durch die drei Ebenen gibt es ein "Hinuntergehen in die Geschichte" - symbolisch und wahrnehmbar vom Mithras-Kult zu einer mittelalterlichen Kirche. Dort ist es kühl, also im Sommer ideal.
Vom Kolosseum hingegen rate ich oft ab. Man muss einfach eine zu große Vorstellungskraft haben, um in diesen ganzen Steinen zu erkennen, was es einmal war. Ich würde auf den Kapitolshügel gehen und von dort über das Forum Romanum oder auf dem Aventin durchs Schlüsselloch schauen. Rom hat viele Facetten.
KNA: Bei den vielen Facetten und fernab vom Touristenrummel - haben Sie selbst Lieblingsorte in Rom?
Demmel: Ja! Ein wunderschöner Ort ist der Orangengarten auf dem Aventin, um Rom auf sich wirken zu lassen. Auch toll ist, sich in der Abendsonne auf die Mauer am Garibaldi-Platz auf dem Gianicolo zu setzen und auf die Stadt zu schauen. Dort in der Nähe ist außerdem die Kirche Sant'Onofrio. In dem Garten dort hat schon Goethe gesessen und gemalt. Dieser Ort ist wunderschön, ruhig, und man kann abschalten. Das geht auch in Sant'Agnese fuori le mura gut. Dorthin kommen nur wenige Menschen, und es gibt ein Rundmausoleum mit wunderschönen Mosaiken. Unglaublich toll.
Das interview führte Severina Bartonitschek.