200. Geburtstag des Augustinermönchs Gregor Johann Mendel

"Mendel legte Grundstein für einen Hype"

Gregor Mendel war der wohl berühmteste Erbsenzähler der Welt. Doch neben Wissenschaftler in der Genforschung war er auch Gottesmann, ein Augustinermönch. Passt das zusammen? Es schließt sich nicht aus, findet Weihbischof Losinger.

Erbsenpflanze / © Mircea Costina (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Von Gregor Johann Mendel haben wir wahrscheinlich alle im Biologieunterricht gehört. Vor 200 Jahren wurde er geboren. Er hat als Erster erforscht, wie sich Eigenschaften von Pflanzen weitervererben.

Was vielleicht nicht so viele Menschen wissen: Gregor Mendel war ein Augustinermönch. Er hat in der Augustiner Abtei Brünn gelebt. Das liegt im heutigen Tschechien. Und da hat er seine Forschungsobjekte angebaut, die Erbsen selber. Aber wie passte das damals zusammen? Ein Mönch, der in Gott den Ursprung aller Schöpfung sieht, und gleichzeitig ein Wissenschaftler, der sich mit kühlem Kopf mit der Genetik beschäftigt. Was für eine Erinnerung haben Sie an den Biologieunterricht und die Mendelschen Gesetze? Können Sie sich noch erinnern?

Erbsenpflanze mit weißen Blüten / © Thijs de Graaf (shutterstock)
Erbsenpflanze mit weißen Blüten / © Thijs de Graaf ( shutterstock )

Anton Losinger (Mitglied der Kommission für Wissenschaft und Kultur bei der Deutschen Bischofskonferenz): Ich kann mich an meinen eigenen Biologieunterricht erinnern und wage die Behauptung, dass es keinen modernen Abiturienten gibt, der Gregor Mendel und die Mendelschen Gesetze nicht kennt.

DOMRADIO.DE: Wie hat man denn Anfang des 19. Jahrhunderts auf einen Mönch reagiert, der naturwissenschaftlich forscht? Hat man ihm die wissenschaftliche Kompetenz zugetraut?

Anton Losinger (Mitglied der Kommission für Wissenschaft und Kultur bei der Deutschen Bischofkonferenz)

"Ein Mönch, glaube ich, hat irgendwie auch die Muße und die Geistesfreiheit, sich intensiv um Dinge zu kümmern und genau hinzuschauen."

Losinger: Ein Mönch, glaube ich, hat irgendwie auch die Muße und die Geistesfreiheit, sich intensiv um Dinge zu kümmern und genau hinzuschauen. Sicherlich haben damals auch viele Gärtner und Bauern Probleme der Züchtung und ihrer Effekte gekannt. Aber was Wissenschaft ausmacht, nämlich Dingen auf den Grund zu gehen und die Elemente zu erkennen, das braucht genau das, was Mendel getan hat, nämlich die Frage eines analysierenden Blicks und in der Züchtung seiner Erbsen die Frage nach den Gründen.

DOMRADIO.DE: Wie hat die Kirche seine Forschung gesehen?

Statue von Gregor Mendel in der tschechischen Stadt Brünn / © Volodymyr Dvornyk (shutterstock)
Statue von Gregor Mendel in der tschechischen Stadt Brünn / © Volodymyr Dvornyk ( shutterstock )

Losinger: Damals war es so, dass sich zunächst wenige für seine Forschung interessiert haben. Aber später wurde ganz klar erkennbar, was er geleistet hat, legte im Grunde den Grundstein für einen Hype in der Wissenschaft, in der Biogenetik, die bis auf den heutigen Tag oberste Stelle in der Forschungsfinanzierung einnimmt.

DOMRADIO.DE: Die Erkenntnis brauchte also Zeit?

Losinger: Es war damals zunächst wie bei vielen Protagonisten in der Forschung so, dass sie mit Zweifeln zu kämpfen haben und dass erst immer ein Wachstum der Erkenntnis bei den Zeitgenossen da sein muss, um die Tragweite zu erkennen.

DOMRADIO.DE: Erst mal wurden seine Schriften verbrannt. Er gilt als Pionier der Genforschung. Heute sind wir da in ganz anderen Dimensionen mit Klonschaf oder Genschere unterwegs. Was glauben Sie, würde Mendel von der Entwicklung heute halten? Bei was hätte er als Gottesmann Bauchschmerzen?

Losinger: Ich glaube, dass Mendel als ein wissenschaftlicher Geist begeistert wäre, wenn er gesehen hätte, wie wir die Doppelhelix entdecken. Wie am Beginn unseres Jahrtausends das Human Genome Project möglich war, nämlich die Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms.

Und die berühmte Genschere mit dem etwas sperrigen Namen CRISPR, wo wir auf molekularbiologischer Ebene genetische Veränderungen vornehmen können? Damit, glaube ich, hätte Mendel wohl auch Bauchschmerzen bei der Frage "Gehen wir mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, wirklich verantwortlich genug um?" Verwenden wir zum Beispiel genetische Technologien, um die Selbstoptimierung des Menschen zu betreiben? Streben wir vielleicht Klonen von menschlichen Zellen an? Wollen wir einen möglicherweise perfekten Menschen auf genetischer Basis erreichen, der natürlich auf der anderen Seite den unperfekten Menschen auch erzeugt?

Damit sind all die Themen natürlich im Hinterkopf, die mit genetischer Diagnostik, mit Behinderung und auch mit der Frage des Umgangs mit Menschen zu tun haben, die etwa der UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet sind.

DOMRADIO.DE: Die Wissenschaft ist heute ungleich komplizierter geworden. Wie ist heute das Verhältnis Theologie und Wissenschaft?

Losinger: Es ist ein äußerst konstruktives Verhältnis. Ich denke, dass gerade moderne Wissenschaftler sehr aufmerksam sind dafür, was die ethische Bewertung der Konsequenzen des Handelns von Wissenschaftlern für die Gesellschaft bedeutet. Das muss man gerade etwa im Bereich biogenetischer Verfahren sehr deutlich sagen.

Wir haben es mit einem äußerst leistungsfähigen Instrument zu tun, das auf der anderen Seite mindestens eine gleich große Verantwortung im Bereich der Ethik und auch der Frage nach den Wirkungen solcher Forschung bedeutet.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Genschere CRISPR/Cas9

Mit dem neuen biotechnischen Verfahren der Genschere "CRISPR/Cas9" wollen Wissenschaftler das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt verändern. Durch die mit einer "Hochpräzisions-Schere" verglichene Technik können einzelne Gene oder kleinste DNA-Bausteine mit Hilfe zelleigener Enzyme eingefügt, verändert oder ausgeschaltet werden.

Embryonenforschung / © Hwang (dpa)
Embryonenforschung / © Hwang ( dpa )
Quelle:
DR