Nach dem Fund weiterer als antisemitisch kritisierter Bilder auf der documenta sehen die Gesellschafter der Kasseler Kunstschau Versäumnisse. Die beanstandeten Zeichnungen wollen sie vorerst nicht mehr zeigen. Jüdische Organisationen kritisierten am Donnerstag den documenta-Interimsgeschäftsführer Alexander Farenholtz und forderten zum Teil seinen Rücktritt. Das American Jewish Committee (AJC) Berlin verlangte, die documenta fifteen müsse "vorzeitig beendet werden".
Die documenta und Museum Fridericianum Gesellschaft betonte in Kassel: "Die Gesellschafter gehen davon aus, dass die künstlerische Leitung die diskutierten Zeichnungen bis zu einer angemessenen Kontextualisierung aus der Ausstellung nimmt." Der Umgang mit den Zeichnungen zeige, "wie dringend notwendig die externe Expertise bei der Analyse von Werken auf antisemitische (Bild-)Sprache ist".
Wieder antisemitische Bildsprache
Die documenta-Gesellschafter hätten erstmals am Dienstagabend über Soziale Netzwerke erfahren, "dass mit dem Faksimile der Broschüre 'Presence des Femmes' und den darin enthaltenen Zeichnungen des Künstlers Burhan Karkoutly mit Darstellungen israelischer Soldaten ein weiterer problematischer Gegenstand auf der documenta fifteen hinsichtlich antisemitischer Bildsprache ausliegt". Der documenta-Leitung sei dies bereits vor drei Wochen bekannt gewesen, nachdem eine Besucherin auf die Zeichnungen aufmerksam gemacht habe. "Die umgehende rechtliche Bewertung der Zeichnungen durch Externe war ein richtiger Schritt, die Frage, ob hier antisemitische Bildsprache vorliegt, wurde leider lediglich intern bewertet", so die Gesellschafter weiter.
Die Vorgänge hätten nicht unter Verantwortung von Farenholtz stattgefunden, der - nach dem Rückzug der Generaldirektorin Sabine Schormann - seit dem 19. Juli amtiert, so die Gesellschafter. Es handele sich bei den Zeichnungen nicht um ein ausgestelltes Kunstwerk, "sondern um Archivmaterial, das auf der documenta fifteen präsentiert wird". Aber auch hier sei "angesichts der antisemitischen Bildsprache verantwortungsvolles Kuratieren wichtig".
Fassungslosigkeit bei Zentralrat der Juden
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich fassungslos. "Diese documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen", erklärte er in Berlin. Mit Blick auf die neuen Funde umstrittener Bilder sagte Schuster: "Auch Herr Farenholtz selbst konnte oder wollte keinen Antisemitismus erkennen." Dass die documenta wie geplant bis 25. September laufen könne, erscheine "kaum mehr vorstellbar".
Der jüdische Verein "Werteinitiative" forderte den Rücktritt von Farenholtz: "Er relativiert offensichtlich antisemitische Stereotype und verklärt diese als unproblematisch." Damit sei Farenholtz "nicht mehr tragbar", so der Vereinsvorsitzende Elio Adler.
AJC-Berlin-Direktor Remko Leemhuis sagte: "Angesichts dieser jüngsten Entwicklungen und vor dem Hintergrund, dass die Verantwortlichen offensichtlich immer noch nicht begriffen haben, welchen Schaden die documenta angerichtet hat, kann es kein 'Weiter so' geben." Ebenso erwarte man "endlich eine ernsthafte Entschuldigung der Verantwortlichen bei der jüdischen Community".
Judenfeindliche Stereotype
Am Dienstag hatte die "Werteinitiative" Fotos von Zeichnungen veröffentlicht, die judenfeindliche Stereotype in der Darstellung von israelischen Soldaten aufweisen. In einer Darstellung ist ein israelischer Soldat zu sehen, wie er einen Jungen ins Ohr kneift - der Soldat ist gezeichnet im Stile eines Roboters; im Hintergrund ist ein Massengrab zu sehen. Eine andere Zeichnung zeigt eine Frau, die einem Soldaten zwischen die Beine tritt. Der Mann mit Davidstern auf dem Helm krümmt sich vor Schmerz - und ist durch geringe Körpergröße sowie eine große Hakennase gekennzeichnet.