Er gilt als Denker und Mann der klaren Analyse: Der evangelische Theologe und ehemalige Berliner Landesbischof Wolfgang Huber bringt sich trotz seines Ruhestands immer noch gern in aktuelle gesellschaftliche Debatten ein. Gerade erst veröffentlichte er ein Buch, in dem er sich mit der "Ethik der Digitalisierung" auseinandersetzt. Am Freitag wird der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der mehrfach für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt wurde, 80 Jahre alt.
"Auf Gott vertrauen, den Nächsten lieben und auch mit sich selbst sorgfältig umgehen", sagte Huber einmal im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielleicht hatte er auch diese Lebensmaxime im Sinn, als er damals das ihm angetragene Amt des Staatsoberhaupts mit Verweis auf seine Gesundheit und seine Familie ablehnte: Huber, der seit 1966 mit einer Lehrerin verheiratet ist, hat drei Kinder und sechs Enkel.
Belastende Familiengeschichte
Der theologische Werdegang war dem asketisch wirkenden Mann mit den wachen hellen Augen nicht in die Wiege gelegt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er 1942 in Straßburg geboren als jüngster von fünf Brüdern und Sohn des Staatsrechtlers Ernst Rudolf Huber, der durch sein Wirken in der NS-Zeit diskreditiert war. Seine Wahl des Theologiestudiums in den 1960er Jahren in Heidelberg, Göttingen und Tübingen kam für seine Familie überraschend.
Schnell machte er sich einen Namen als Sozialethiker, an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg sowie als Professor in Marburg und Heidelberg. In der evangelischen Kirche war er gut vernetzt; als Kirchentagspräsident in den von Nachrüstungsdebatten und Friedensethik geprägten Jahren 1983 bis 1985 wurde er auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Bischof statt Bundestag
Eine entscheidende Weichenstellung erfolgte für den damals Anfang 50-Jährigen 1993: Hatte er sich zunächst für eine Bundestagskandidatur für die SPD interessiert, wurde er stattdessen in Berlin zum Bischof gewählt. Im Bischofsamt der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg - seit 2004 fusioniert mit der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz - entwickelte Huber sich vom dezidiert linksprotestantischen Theologen zu einer Integrationsfigur, durch die auch Evangelikale sich repräsentiert sehen konnten.
Schon lange vor seiner Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden im Jahr 2003 galt Huber als führende Stimme des deutschen Protestantismus. Er beteiligte sich an vielen öffentlichen Debatten, setzte aber auch in seiner Landeskirche gegen manchen Widerstand Reformen durch. So stritt er für einen "Mentalitätswandel" und eine "missionarische Öffnung" der oft selbstgenügsamen Kirchengemeinden.
Reibungslose Zusammenarbeit mit Katholiken
Hubers Verhältnis zur katholischen Kirche wird oft auf den von ihm geprägten Begriff der "Ökumene der Profile" reduziert, in dem ein gewisses Konkurrenzverhältnis mitschwingt. Doch so wollte er es selbst nicht verstanden wissen. In der Praxis funktionierte die Zusammenarbeit der Kirchen, vor allem beim ersten bundesweiten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003, meist reibungslos.
Gleichwohl konnte Huber auch die ökumenischen Partner düpieren: So lieferte er beim Stammzellgesetz eine entscheidende Vorlage für die letztlich beschlossene vorsichtig liberale Gesetzesnovelle. Die katholische Fakultät der Universität Bochum machte ihn ungeachtet dessen zusammen mit dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, zum Ehrendoktor.
Aktiv im Ruhestand
In seinem Ruhestand ist Huber weiterhin sehr aktiv - sei es als Buchautor, aber auch als Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Ein Amt, bei dem er zur Zeit viel Gegenwind bekommt: Gegner des Wiederaufbaus des Turms der Garnisonkirche werfen der Stiftung immer wieder Intransparenz und Verzerrung der Fakten vor, besonders seit sie weitere Millionenförderung durch den Bund für die Fertigstellung fordert.
Für sein Lebenswerk geehrt wurde Huber erst jüngst von der in Erfurt sitzenden Internationalen Martin Luther Stiftung: Für seinen "sachorientierten, streitbaren und fairen Dialog zwischen Kirche und Wirtschaft" erhielt der Berliner im vergangenen Jahr die Lutherrose.