DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat für Sie das Hochfest Mariä Himmelfahrt?
Pfarrer Rainer Maria Schießler (St. Maximilian München): Am kürzesten beschrieben ist es mit dem Satz "Unser Ostern im Hochsommer", also dasselbe, was wir an Ostern feiern, nur in den Hochsommer verlegt. Hochsommer haben wir ja zu Genüge, muss man leider Gottes sagen.
Es braucht jetzt nur noch die Ostererfahrung, was am Ostermorgen geschehen ist, nämlich Aufbruch, Neuanfang, raus aus den verschlossenen Räumen, in eine Zukunft hinein gehen. Das möchte man heute in unserer Verkündigung ein bisschen den Leuten nahebringen.
DOMRADIO.DE: Aber es ist für Sie kein Fest für die Frauen.
Schießler: Es ist ein Fest, bei dem vor allem die Frauen im Mittelpunkt stehen. Es geht ja um eine Frau, und das in einem Betrieb, in einer Kirche, die die Frau über Jahrhunderte hinweg ganz geschickt hat verstecken können, was am Anfang eben nicht so gedacht war.
DOMRADIO.DE: Warum sind die Frauen so unersetzlich für die Kirche?
Schießler: Weil sie die ersten Missionarinnen sind. Da gehe ich von meiner eigenen Geschichte aus. Natürlich habe ich christliche Eltern gehabt, aber die emotionale – und Glaube ist Emotion – Bindung an Gott hat eine Frau hergestellt. Das war meine Mama. Die hat mir die Angst genommen, die hat mich das Beten gelehrt, die hat mir erklärt, was Zutrauen ist.
Ich habe einen besonderen Fall gehabt. Meine Mama war 45, als sie mich empfangen hat, und sie war immer eine ältere Dame gegenüber den Müttern meiner Freunde. Ich habe sie mal als kleines Kind gefragt, weil sie schon älter war, wie lange sie leben möchte. Ich bekam die salomonische Antwort: Solange du mich brauchst. Wenn das keine Missionierung ist?
Ohne Frauen keine christliche Keimzelle, keine Familie, keine Glaubensausrüstung. Und dann entledigen wir uns der Frauen in der Struktur der Kirche. Das kann ich keinem mehr vermitteln, das kann keiner mehr verstehen.
DOMRADIO.DE: Es gibt viele Fans der Gottesmutter Maria, auch unter Pfarrern. Das sind aber nicht unbedingt immer die, die Frauen mehr Rechte in der Kirche geben wollen. Das passt doch gar nicht zusammen.
Schießler: Ich bin auch ein Fan. Ich bin leidenschaftlicher Lourdes-Fahrer. Ich bin leidenschaftlicher Wallfahrer. Für mich ist es nie möglich, wenn ich Richtung Passau fahre, dass ich an Altötting vorbeifahren werde. Für mich ist die Bindung zu dieser Frau Maria unglaublich wichtig. Ich bete den Rosenkranz. Ich gehe auf keinen Berg hinauf, ohne Rosenkranz zu beten – im Übrigen den schmerzhaften, weil es anstrengend ist.
Ich bin Fan von Maria, wenn ich Veränderungen der Position und der Stellung der Aufgabe der Frau in der Kirche weiter reformieren möchte.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass die Weiheämter für Frauen irgendwann zugelassen werden? Werden wir das erleben?
Schießler: Es muss passieren. Ob wir es erleben werden, weiß ich nicht. Ich bin kein Prophet. Aber wir müssen das erreichen, weil wir eine Vorgabe des Paulus haben, nämlich dass wir eins in Christus sind. Diese Vermischung einer theologischen Begründung, dass wir da nichts ändern dürfen, weil Christus die Kirche gegründet hat und diese Formel dann biologisch mit dem Verweis auf das Geschlecht begründet wird, hinkt. Diese Verbindung ist nicht ehrlich, ist unlauter und die nimmt uns keiner mehr ab.
Wir sind mittlerweile eine große, globalisierte Welt. Es geht um die Gleichheit der Geschlechter, die übrigens biblisch grundgelegt ist. Die Rippe vom Adam ist nicht Unterordnung, sondern Gleichstellung von Mann und Frau. Es geht darum, dass wir eins in Christus sind und jeder Christus durch die Taufe voll gültig darstellen kann.
DOMRADIO.DE: Wie werden Sie heute das Fest begehen?
Schießler: Wir werden einen freudigen Gottesdienst feiern. Wir werden die Kräuterbüschel segnen und weitergeben. Der ganze Erlös der Kräuterbüschel geht natürlich an soziale Zwecke. Dann stürzen wir uns am Nachmittag ins Getümmel der European Championships.
Bei uns in München ist so eine tolle Stimmung, 50 Jahre nach den Olympischen Spielen. Ich war damals zwölf Jahre alt und habe es erleben können, wie München erwacht ist. Und jetzt ist es wie ein Revival. München erwacht wieder. Das sind so tolle, positive Menschen. Das ist übrigens eine Oster-Erfahrung, was wir hier gerade machen.
Das Interview führte Tobias Fricke.