In der zweiten Augusthälfte steht in Rom das Leben still. Doch hinter den Vatikanmauern dürften die Planungen auf Hochtouren laufen. In wenigen Wochen will Papst Franziskus in das zentralasiatische Kasachstan reisen. Offizieller Anlass ist ein interreligiöser Kongress in der Hauptstadt Nur-Sultan vom 14. bis 15. September. Inoffizieller Höhepunkt dürfte ein Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. sein. Letzterer hatte bereits vor Monaten seine Teilnahme am VII. Kongress der Religionen angekündigt. Anfang August empfing Franziskus bereits den Leiter des russisch-orthodoxen Außenamts, Metropolit Antonij (Sevrjuk).
Die Kasachen pflegen enge Beziehungen zu Russland, auch wenn sie mit Blick auf den Krieg auf eine eher neutrale Haltung setzen. Die weite Mehrheit der Bewohner sind Muslime. Von den Christen, 26 Prozent, sind die meisten russisch-orthodox. Katholiken gibt es nur etwa 180.000. Offiziell gehört das Gebiet als ehemaliger Teil der Sowjetunion zum "kanonischen Territorium" des Moskauer Patriarchats. Für die russisch-orthodoxe Kirche heißt das, dass sie allein sich berechtigt fühlt, in dem Gebiet Mission und Evangelisierung zu betreiben. Neutralität in Anführungszeichen.
Kritik an Kyrill
Bereits vor Monaten stand ein Treffen von Franziskus und Kyrill auf neutralem Boden zur Debatte. Jerusalem sollte der Begegnungsort werden. Eingebettet in eine vom Papst lange versprochene Reise in den Libanon Mitte Juni. Doch die Situation war zu ambivalent, die Lage in der Ukraine zu brisant. Die Planungen wurden abgebrochen. Es sei eine "einvernehmliche" Absage gewesen, so Franziskus in einem Interview.
Zugleich nutzte er das Interview, um den Patriarchen deutlich zu kritisieren. Kyrill müsse aufpassen, dass er nicht zu "Putins Messdiener" mutiere und solle kein "Staatskleriker" werden. Die russische Seite war düpiert. Auch aufgrund dieser Vorgeschichte dürfte ein Treffen im September heikel sein. Zumal die Beziehung zwischen Patriarchat und dem zuständigen vatikanischen Ökumeneministerium derzeit, laut dessen Leiter Kardinal Kurt Koch, getrübt sind.
Chancen in Aufeinandertreffen
Dennoch hält Koch ein Treffen der beiden Kirchenvertreter potenziell für sinnvoll. Unter der Bedingung, dass "es zu einer gemeinsamen klaren Stellungnahme kommen könnte, dass dieser sinnlose und grausame Krieg endlich beendet würde", wie der vatikanische "Ökumeneminister" im KNA-Interview erklärte. Ob eine solche Stellungnahme realistisch wäre, ist mehr als fraglich. Der Patriarch von Moskau hat den russischen Überfall auf die Ukraine mehrfach verteidigt. Kyrill hält seinem Präsidenten Wladimir Putin die Treue.
Auf dem Reise-Programm ist eine mögliche Begegnung der beiden nur indirekt und niedrigschwellig enthalten. "Private Begegnungen mit einigen religiösen Führern", heißt es offiziell für den Mittwochnachmittag. Kyrill wäre ein Gesprächspartner unter vielen; die Presse nicht dabei. Zahlreiche Diplomaten und Theologen sehen die Begegnung mit Skepsis, halten sie für verfrüht und nicht dienlich.
Ungewissheit über Reise in die Ukraine
Für die ukrainische Seite wäre ein Treffen der beiden mehr als schwierig, gar ein Affront. Noch vor wenigen Wochen hatte Kiews Vatikan-Botschafter Andrij Jurasch bekräftigt, dass alles versucht werde, um ein Treffen von Papst Franziskus mit "dem Anwalt des Teufels" zu verhindern. Und auch Kardinal Koch bewertet die Situation als delikat und herausfordernd. Insbesondere, wenn der Papst zunächst Kyrill treffe, bevor er die Ukraine besuche.
Doch auch hinsichtlich einer möglichen Ukraine-Reise rumort es rund um den Vatikan kräftig. Manche munkeln, der Papst fahre vor der Reise nach Kasachstan still und heimlich über Polen per Nachtzug nach Kiew. Ohne medialen Tross. Diplomat Jurasch klang jüngst etwas milder. Es sei denkbar, dass Franziskus erst den Patriarchen treffe und dann die Ukraine besuche. Er warnte weiter vor den Folgen in der Gesellschaft, nicht nur in seiner Heimat, sondern in benachbarten Ländern wie Polen, Litauen oder der Slowakei. Die Kritik am Papst könnte erheblich sein.
Der Religionskongress ermöglicht zugleich ein Zusammentreffen mit Religionsführern und Geistlichen aus aller Welt. Neben Franziskus und Kyrill wird auch einer der ranghöchsten sunnitischen Geistlichen erwartet, Großscheich Ahmed al-Tayyib von der Al-Azhar-Moschee in Kairo. Er und Franziskus setzen sich seit Jahren gemeinsam für den interreligiösen Dialog und die weltweite Friedensarbeit ein. Beide sehen Religionen als Friedensstifter in der Pflicht.