Macht eine neue Trauerredner-Agentur der Kirche Konkurrenz?

Begleitung auf dem letzten Weg

In Deutschland wandelt sich die Bestattungsform. Mittlerweile werden mehr als die Hälfte der Deutschen nicht mehr kirchlich bestattet. Eine neue Agentur bietet gar Trauerredner im Internet. Kann das der katholischen Kirche gefallen?

Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com (shutterstock)
Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Folgt eine katholische Beerdigung eigentlich einem bestimmten Ritus wie im Gottesdienst?

Martin Kürble (privat)

Martin Kürble (Pastoralreferent der Seelsorgeeinheit Düsseldorfer Rheinbogen): Genau wie bei der Taufe, bei der Hochzeit oder bei jedem anderen Ereignis, wo wir Familien in der Gemeinde begleiten dürfen, gibt es natürlich auch für das Begräbnis einen Ritus.

Aber auch da gilt wie bei jedem Gottesdienst: Der muss gefüllt werden. Der ist ein Wegweiser, eine Leitplanke. Er ist da, um auch ein Stück weit Halt zu geben, gerade in so einer Situation wie zum Beispiel einer Beerdigung. Aber er muss gefüllt werden.

DOMRADIO.DE: Gibt es etwas, das auf keinen Fall fehlen darf?

Kürble: Es gibt einige Riten, von denen ich sagen würde, dass sie gut sind. Zum Beispiel mit dem Weihwasser an die Taufe zu erinnern oder den Hinterbliebenen noch mal mit auf den Weg zu geben: "Hey, wir sind vergänglich, aber wir glauben daran, dass es weitergeht".

Insofern gibt es Riten, die vorgegeben sind beziehungsweise die ich letztlich auch mit meiner Persönlichkeit füllen muss. Das gilt für alle Gebete und eben auch für diese Gebete, die dann da gesprochen werden.

Ich muss sie mit meinem Leben und meiner Sprache füllen, damit sie authentisch sind, damit sie die Menschen auch berühren und begleiten können.

DOMRADIO.DE: Die Beerdigung ist kein Sakrament. Deshalb kann sie je nach Lage auch von Laien oder Pastoralreferenten wie Ihnen gemacht werden. Dafür gibt es eine Schulung und dann wird eine Beauftragung vom Bistum erteilt. Wonach richtet sich denn, wie die Trauerfeier ausgestaltet wird?

Kürble: Ich mache es so: Ich führe mit der Familie, mit den Hinterbliebenen ein längeres Gespräch. Da höre ich: Was war das für ein Mensch? Mir ist auch wichtig zu wissen: Welchen Menschen begleite ich da auf seinem letzten Weg? Was war das für ein Mensch? Was hat ihn ausgemacht? Was war seine Persönlichkeit? Was waren seine Leidenschaften? All das, was zum Leben dazugehört.

Dann überlege ich mit der Familie zusammen: Was ist die richtige Form, sodass wir den Gottesdienst, die Trauerfeier mit dem Leben des Verstorbenen und mit dem Leben dieser Familie füllen. Das mache ich gemeinsam, wenn die Familie das möchte. Viele Familien sagen auch: Nein, bitte übernehmen Sie das. Suchen Sie die Musik aus oder suchen Sie den Schrifttext aus.

Wenn die Familie das gerne möchte, machen wir das gemeinsam. Dann nehme ich gerne die Wünsche mit in die Vorbereitung der Trauerfeier rein. Ansonsten mache ich das dann für die Familien, aber in deren Sinne. Das ist wichtig. Ich begleite ja die Familienfeier von diesen Menschen. Es ist ja nicht so, dass die zu meiner Feier kommen, sondern ich komme mit meiner Botschaft und dem, was ich vielleicht als Trost und als Hoffnung zu bieten habe, zu denen. Deswegen sind deren Wünsche erst mal wichtig.

DOMRADIO.DE: Dieser Trost besteht dann, wenn sie eine kirchliche Beerdigung machen, nicht unbedingt in irgendwelchen philosophischen Texten wie etwa von Antoine de Saint-Exupery.

Kürble: Genau. Das, glaube ich, macht dann am Ende auch die kirchliche Begräbnisfeier aus, dass wir mit der Botschaft des Glaubens, also mit dem Evangelium oder der christlichen Hoffnung hinkommen. Deswegen mache ich es so: Ich wähle eigentlich immer einen Text aus den Evangelien aus, den ich dann auch kurz und bündig, aber ich hoffe für die Menschen hilfreich und trostvoll auslege.

Ich glaube, das ist der entscheidende Unterschied zu freien Rednern, die auch ganz nah bei den Menschen sein können. Aber wir gucken eben nicht nur zurück auf den Menschen, den wir da verabschieden, sondern wir gucken auch ein Stück weit mit unserer Botschaft in die Zukunft und in die Hoffnung, die wir damit verbinden.

DOMRADIO.DE: Jetzt schreibt zum Beispiel eine neue Agentur für Trauerredner: "Ihr steht bei uns im Mittelpunkt, wir halten individuelle Trauerreden und gestalten die Trauerfeier so, wie ihr Euch das wünscht." Ist das kirchlich denn auch möglich?

Kürble: Ja, absolut. Das, was in der gottesdienstlichen Gestaltung frei ist, das dürfen bei mir die Familien auch selber aussuchen. Das ist auch die Musik. Da habe ich auch schon von AC/DC bis Zarah Leander alles dabei gehabt. Das ist wichtig, dass die Familien sich darin wiederfinden und dass sie mit der guten Erinnerung an diese Feier weiterleben können. Denn dann haben sie auch eine gute Erinnerung an das Abschiednehmen von einem lieben Menschen.

DOMRADIO.DE: Leiten Sie gerne Trauerfeiern und Beerdigungen?

Kürble: Das ist ein bisschen komisch zu sagen, aber ja, ich beerdige gerne. Es gibt kaum eine Gelegenheit, wo wir die Chance haben, Menschen so nah zu kommen. Für mich persönlich ist es eine unglaubliche Bereicherung, in die Familien zu kommen, von den Lebensgeschichten zu hören.

Ich habe heute noch von einem 95-Jährigen die Lebensgeschichte gehört und es berührt mich, es bewegt mich. Für mich persönlich ist es eine absolute Bereicherung. Und ich hoffe, dass ich von dem Guten, was ich bei diesen Begegnungen empfange, auch ein Stück weit an die Familien zurückgeben kann, die ich begleite.

DOMRADIO.DE: Wenn da jetzt die neue Agentur "Wer du warst" – Deutschlands größtes Netzwerk für qualifizierte Trauerredner an den Start geht, glauben Sie, dass das den Trend zu weniger kirchlichen und mehr weltlichen Bestattungen befeuert?

Kürble: Ach, das glaube ich nicht. Es ist gut, dass es das gibt, weil viele Menschen mit der christlichen Botschaft bei uns nichts mehr anfangen können. Dann ist es eigentlich richtig zu sagen: Der Verstorbene konnte damit nichts anfangen, wir können damit nichts anfangen. Was soll dann ein Kirchenmann zu uns kommen?

Dann ist es wichtig, dass da jemand ist, der die Menschen gut begleitet. Das gönne ich wirklich jedem und ich habe keinen Groll, dass sie uns den Rücken kehren.

Umgekehrt sage ich: Es ist ganz wichtig, dass wir da sind, denn wir haben natürlich hoffentlich vorher schon den Kontakt zu den Lebenden, zu den Familien und zu denen, die vielleicht im Sterben liegen, dass wir da sind und diesen Prozess schon begleiten.

Wir sind natürlich auch hinterher noch da. Wir sind als Gemeinde immer erreichbar und begleiten die Familien, die Hinterbliebenen auch danach noch. Das ist, glaube ich, auch noch einmal ein großes Plus, das wir haben. Wer das annehmen möchte, für den sind wir von Herzen und mit offenen Armen da. Wer sagt: Nein, das ist nicht meins; da ist es gut, wenn es gut begleitende und ausgebildete Trauerredner und Trauerrednerinnen gibt.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Bestattungen in Deutschland

Es gibt zu den Bestattungsarten in Deutschland keine repräsentative Statistiken und Umfragen. Nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesverbands Deutscher Bestatter liegt der Anteil von Feuerbestattungen bei etwa 58 Prozent im Jahr. Besonders nachgefragt sind Feuerbestattungen in Nord- und Ostdeutschland, aber auch in den eher katholisch geprägten Regionen nimmt der Trend zur Urne zu. Einzelne Bestatter in Norddeutschland berichten in ihrem Einzugsgebiet von einem Anteil der Feuerbestattung von über 80 Prozent. (DR/dpa)

Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague (shutterstock)
Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague ( shutterstock )
Quelle:
DR