Verhaltensökonom sieht Führungskräfteproblem in der Kirche

"Konstruktive Führungskultur" ist wichtig

Die katholische Kirche hat nach Ansicht von Verhaltensökonom Matthias Sutter ein Führungskräfteproblem. Es könne auch nicht sein, dass Frauen von Führungspositionen ferngehalten würden, erklärte der Direktor des Max-Planck-Instituts.

Messdiener mit Weihrauch / © Lars Berg (KNA)
Messdiener mit Weihrauch / © Lars Berg ( KNA )

KNA: Sie sind Verhaltensökonom. Können Sie in zwei Sätzen erklären, was sich hinter dieser Disziplin verbirgt?

Matthias Sutter, Verhaltensökonom und Direktor am Max-Planck-Institut in Bonn (ECONtribute)
Matthias Sutter, Verhaltensökonom und Direktor am Max-Planck-Institut in Bonn / ( )

Matthias Sutter (Verhaltsensökonom und Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern): Die Verhaltensökonomie will verstehen, wie Menschen, Unternehmen und Gesellschaften zu Entscheidungen kommen. Sie orientiert sich deswegen weniger an den üblichen wirtschaftlichen Kennziffern, sondern bezieht andere wissenschaftliche Bereiche wie etwa die Psychologie in ihre Forschungen ein.

KNA: In Ihrem jüngsten Buch "Der menschliche Faktor" gehen Sie der Frage nach, wie ein erfolgreiches Miteinander im Berufsleben gelingt. Gibt es ein Patentrezept?

Sutter: So pauschal kann man das nicht sagen. Aber wichtig ist auf alle Fälle eine konstruktive Führungskultur.

KNA: Wie schaut die aus?

Sutter: Als Führungskraft muss ich meinen Mitarbeitern ein regelmäßiges Feedback geben, ich muss ansprechbar bleiben, offen für unterschiedliche Meinungen sein. Meine Mitarbeiter sollten das Gefühl haben, dass ich sie ernst nehme und ihnen vertraue. Und ich muss sie in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen.

KNA: Ein anspruchsvolles Programm.

Sutter: Ja, denn wer hört schon gern Kritik von seinen Untergebenen oder baut sich durch gezielte Personalentwicklung Konkurrenz im eigenen Haus auf? Aber die Daten zu Etat, Krankenstand und Produktivität zeigen: Unternehmen, die eine konstruktive Führungskultur pflegen, stehen besser da.

KNA: Ob ein Elon Musk das auch so sieht? Nach allem, was man so hört, pflegt der Tesla-Chef einen eher autokratischen Führungsstil - und wird trotzdem als erfolgreicher Unternehmer gefeiert.

Sutter: Vielleicht wäre Musk noch erfolgreicher, wenn er anstatt auf Konfrontation auf Kooperation setzen würde.

KNA: Gerade in der Automobilindustrie scheinen aber mit horrenden Gehältern bezahlte Egomanen weiterhin das Steuer fest in der Hand zu halten.

Sutter: Ich glaube, dass die Medien oft ein verzerrtes Bild des Top-Managements zeichnen.

KNA: Woran machen Sie das fest?

Sutter: Zum Beispiel an Langzeitstudien aus den USA über die Besetzung von Vorstandsposten. Dort zeigte sich, dass die jeweiligen Kandidaten nicht nur über besondere Intelligenz und eine exzellente Ausbildung verfügen, sondern dass sie auch durchsetzungsfähig sind, ihre strategischen Ziele im Blick behalten und überdurchschnittliche soziale Fähigkeiten haben. Vor allem Letzteres lehrt: Sie können nicht 30 Jahre ein Unternehmen leiten, wenn Sie ein kompletter Unsympath sind.

KNA: In der Politik scheint das seltsamerweise immer öfter zu klappen, siehe Jair Bolsonaro in Brasilien, Wladimir Putin in Russland oder auch Donald Trump in den USA.

Sutter: Ich bin kein Fachmann für Politik. Aber bei Populisten wie Trump fällt auf, dass er seinen Anhängern das Gefühl vermittelt, sie ernst zu nehmen, ihre Verlustängste aufzufangen. Welche tatsächlichen Ziele dahinter stecken, steht auf einem anderen Blatt Papier. Aber ich denke, dass genau dieser Faktor ihm dabei half, die Wahlen 2016 zu gewinnen. Seine Konkurrentin Hillary Clinton war nie in der Lage, den Menschen zu signalisieren: Euer Schicksal liegt mir am Herzen.

KNA: Eine Institution, die sich ausdrücklich die Sorge um das Schicksal der Menschen auf die Fahnen geschrieben hat, ist die katholische Kirche. Wie blickt der Verhaltensökonom und studierte Theologe Sutter auf die aktuelle Lage?

Sutter: In der Wissenschaft war es lange so, dass man nur dann an Führungsposten kam, wenn man erfolgreich in seiner Disziplin publiziert hatte. Aber das allein qualifiziert einen noch lange nicht für die Leitung eines Lehrstuhls, geschweige denn einer Fakultät, eines Instituts oder gar einer Uni.

KNA: In der Kirche...?

Sutter: Ist es ähnlich. Man steigt auf, wenn man theologisch versiert ist und als besonders glaubensfest gilt. Doch das allein macht keine gute Führungskraft aus. Und dann sehe ich in der katholischen Kirche noch ein ganz anderes Problem.

KNA: Nämlich?

Sutter: Frauen ist der Zugang zum Priesteramt verwehrt. Ein Unternehmen würde über kurz oder lang krachend am Markt scheitern, wenn es die Hälfte der Menschen von Führungspositionen fernhält.

KNA: Dafür hat die Kirche aber ziemlich lange durchgehalten.

Sutter: Das mag sein. Aber um beim Beispiel Unternehmen zu bleiben: Untersuchungen zeigen, dass Start-ups, die in ihrer Branche einen im Vergleich unterdurchschnittlichen Frauenanteil aufweisen, etwa eineinhalb bis zwei Jahre früher vom Markt verschwinden als die Konkurrenz. Und warum ist das so? Weil sie systematisch verzerrte Entscheidungen treffen.

Das Gespräch führte Joachim Heinz.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA