Es wird eines der größten religiösen Treffen des Jahres in Deutschland: Vom 31. August bis 8. September - kommt der weltweite Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe zu seiner 11. Vollversammlung zusammen.
Erwartet werden etwa 1.000 Vertreterinnen und Vertreter von christlichen Kirchen und Gemeinschaften aus mehr als 100 Staaten. Hinzu kommen mehrere Tausend Berater und Gäste. Es geht ihnen um Ökumene und Dialog zwischen den verschiedenen christlichen Gruppen und Strömungen.
Zugleich wollen die Kirchen und Religionsgemeinschaften zentrale gesellschaftspolitische Konflikte diskutieren: Klimawandel, Krieg in der Ukraine, Nahostkonflikt, Chancen und Gefahren von Digitalisierung.
Allerdings traut sich wenige Wochen vor Beginn der Tagung keiner der Verantwortlichen so recht aus der Deckung, welche Beschlüsse und Diskussionen konkret zu erwarten sind. Die beiden heikelsten Themen sind der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Verwerfungen in der orthodoxen Kirche sowie eine geplante Nahostkonflikt-Stellungnahme.
Umgang mit dem Krieg in der Ukraine
Erwartet werden auch orthodoxe Christen aus der Ukraine, die einen ÖRK-Aufnahmeantrag gestellt haben. Unklar ist, wie die Versammlung mit der russisch-orthodoxen Delegation aus Moskau umgehen wird. Deren Oberhaupt, Patriarch Kyrill, rechtfertigt den russischen Angriffskrieg religiös und spricht von der Verteidigung christlicher Werte gegen den sündigen Westen.
Zudem fällt der Schatten des Nahostkonflikts auf Karlsruhe. Traditionell zeigt sich der ÖRK solidarisch mit den christlichen Palästinensern. Besonders die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will verhindern, dass es zu israelfeindlichen oder gar antisemitischen Beschlüssen kommt. Dazu wird im Hintergrund gearbeitet - öffentlich sagen will aber auch das niemand.
Herausforderung mit viel Programm
Die gastgebende badische Landesbischöfin Heike Springhart räumte ein, es sei eine "große Herausforderung", für die "doppelte Solidarität" mit Palästinensern und Juden einzutreten. Die besondere Verantwortung Deutschlands für eine unverbrüchliche Solidarität mit Israel erschließe sich nicht allen Vollversammlungsteilnehmern. Hinzu kommen Vorwürfe, wonach der neue ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay sich einseitig israelkritisch positioniert haben soll. Der Südafrikaner verglich in der Vergangenheit Israels Palästinenserpolitik mit der Apartheid.
Neben der (Kirchen)Politik will die Vollversammlung auch theologischen Austausch, internationale Gottesdienste und ein vielfältiges Kulturprogramm bieten. Die Vielfalt der christlichen Gemeinschaften weltweit soll spürbar werden, so die Planer des Rahmenprogramms. Über die Stadt verteilt wird es Bühnen und Diskussionsorte geben.
Zentrum für den Dialog der Religionen
Im Karlsruher Schloss wird ein eigenes Zentrum für den Dialog der Religionen eingerichtet. Hier sollen auch Themen wie Antisemitismus und Antiislamismus zur Sprache kommen. Wichtig ist dem ÖRK, die Versammlung als offenes und transparentes Angebot zu gestalten. Auch interessierte Gäste können sich an einzelnen Veranstaltungen oder in Gastprogrammen beteiligen.
Die geschichtlichen Wurzeln des ÖRK liegen in christlichen Studentenbewegungen des 19. Jahrhunderts und in dem - vor allem im von orthodoxen Christen - verfolgten Ziel, einen internationalen Kirchenbund zu schmieden. Vorbild sollte der Völkerbund sein. Realität wurden die Pläne erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gründungsversammlung trat 1948 in Amsterdam zusammen - schon damals waren 147 Kirchen dabei. Heute sind es rund 350 Kirchen und Gemeinschaften verschiedener Ausprägungen aus allen Weltregionen.
Katholische Kirche ist kein Vollmitglied
Die Bandbreite der ÖRK-Mitgliedskirchen ist enorm - theologisch und gesellschaftspolitisch. In Karlsruhe will die Versammlung Themen und Leitlinien der kommenden Jahre abstecken. Da grundsätzlich Beschlüsse im Konsensprinzip fallen stellt sich die Frage, ob dies bei Themen wie Krieg, Nahost und Klimaschutz möglich ist.
Die römisch-katholische Kirche ist kein Vollmitglied, versteht sich aber als enger Partner des ÖRK. Einer katholischen Mitgliedschaft stehen indes theologische und kirchenpolitische Grundhaltungen, etwa zu Amtsverständnis, zur Eucharistie oder zur Vorrangstellung des Papstes entgegen. Franziskus hat eine Grußbotschaft angekündigt. Die vatikanische Delegation will Kardinal Kurt Koch leiten.