US-Schulen werden zur Front im Kulturkampf

Gott, Guys und Gewalt

Der amerikanische Kulturkampf verlagert sich in die Klassenzimmer. Dort fing er in der 60er-Jahren mit dem Streit um das Gebet an öffentlichen Schulen einmal an. Eine Vorreiterrolle nehmen Florida und Texas ein.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Unterricht in den USA / © Monkey Business Images (shutterstock)
Unterricht in den USA / © Monkey Business Images ( shutterstock )

Chaz Stevens liebt die Provokation. Der Bürgerrechtler will Schulen in Texas Plakate schenken, auf denen "In God We Trust" steht. Allerdings nicht auf Englisch, sondern in arabischer Sprache. Der Atheist stichelt damit gegen die republikanischen Gesetzgeber, die in Texas gerade einen alten Frontabschnitt des US-Kulturkrieges wiederbelebt haben.

Schauplatz sind die Schulen, in denen ein neues Gesetz vorschreibt, dass "an gut sichtbarer Stelle in jedem Schulgebäude" das Motto "In God We Trust" angebracht werden muss. Vorausgesetzt, die fromme Gabe werde gespendet und zeige sowohl die amerikanische als auch die texanische Flagge. Die Spender überschlagen sich. Von Privatpersonen bis zum "christlichen" Mobilfunkanbieter "Patriot Mobile" trudeln reihenweise Schilder ein.

Trennung zwischen Staat und Kirche aushebeln?

Für Ryan Hughes ist das kein Grund zur Aufregung. Die Unabhängigkeitserklärung der USA formuliere eindeutig, "dass unsere Rechte von Gott kommen", so der republikanische Senator von Texas, der das Gesetz unterstützt. Eine arabische Version entspreche nicht dem Gesetz. Warum andere Sprachvarianten hingegen möglich sind, erklärt er nicht.

Schulbus in den USA / © Stuart Monk (shutterstock)

Eindeutiger ist da die Haltung des "Texas Freedom Network", das in dem Gesetz den Versuch sieht, das Verfassungsgebot der Trennung zwischen Staat und Kirche auszuhebeln. Dies sei eine klare Diskriminierung von Nichtchristen, empört sich auch die Bürgerrechtsorganisation "Southlake Anti-Racism Coalition".

"In God We Trust" steht seit 1864 auf dem Münzgeld der Amerikaner und ziert bis heute die Ein-Dollar-Note. In Klassenzimmern galten religiöse Postulate dagegen schon seit langem als Tabu. Texas geht mit dem Gesetz an die Anfänge des modernen Kulturkriegs in Amerika zurück. Genauer gesagt in das Jahr 1962, als das oberste US-Gericht das Gebet an öffentlichen Schulen abgeschafft hatte - der erste von mehreren Fällen, in denen der Supreme Court religiöse Aktivitäten im öffentlichen Raum als unvereinbar mit der Verfassung erklärte.

Grundsatzurteil gefällt

Seit Donald Trump drei erzkonservative Richter für den Supreme Court nominierte, haben sich die Gewichte auch bei dieser Frage verschoben.

In diesem Sommer stellte sich das Gericht in einem Grundsatzurteil auf die Seite eines Football-Trainers einer staatlichen Highschool, der nach dem Spiel immer auf dem Feld betete. Der Coach hatte sich damit über die Schulleitung hinweggesetzt und seinen Job verloren.

Supreme Court in den USA / © Konstantin L (shutterstock)
Supreme Court in den USA / © Konstantin L ( shutterstock )

Das Verfassungsprinzip, dass der Staat Religionen weder bevorzugen noch benachteiligen darf, sei in diesem Fall zu weit ausgelegt worden.

Florida steht der texanischen Offensive im Klassenzimmer nicht nach. In dem Sonnenstaat gilt ab diesem Schuljahr das "Dont Say Gay"-Gesetz. Es verbietet öffentlichen Kindergärten und Schulen bis zur dritten Klasse, Geschlechteridentität zu thematisieren.

Gouverneur Ron DeSantis stellt die Bildungspolitik ins Zentrum seiner Wiederwahlkampagne und hofiert Eltern, die den Unterrichtsstoff zensieren wollen. Bis hin zum Klagerecht für unliebsame Inhalte.

So schränkt Floridas "Stop WOKE Act" etwa Aufklärung über Rassenungerechtigkeit ein. Schüler sollten sich nicht für Taten anderer Mitglieder ihrer Rasse in der Vergangenheit schuldig fühlen, lautet die Begründung.

Bücherzensur gehört zum neuen Alltag

Auch Bücherzensur gehört zum neuen Alltag in republikanisch geführten Staaten. Laut Schriftstellervereinigung PEN landeten USA-weit bereits mehr als 1.500 Bücher seit vergangenem Sommer auf dem Index. Und auch hier tun sich die Zensoren in Texas und Florida als besonders eifrig hervor. Im Visier stehen Titel, in denen es um Diskriminierung oder Fragen der sexuellen Identität geht.

Symbolbild Unterricht / © Tiko Aramyan (shutterstock)

Den Vogel der Kampagne für die Rückkehr traditioneller "Werte" ins Klassenzimmer schoss kürzlich Missouri ab. Eine Schulbehörde erlaubte die Rückkehr der Prügelstrafe als letztes Mittel der Disziplinierung.

Die Richtlinie verbietet Schläge auf den Kopf und ins Gesicht, erlaubt aber Stockhiebe auf das Hinterteil.

In Texas wartet Chaz Stevens darauf, was aus seiner Spende für die Klassenzimmer wird. Sollte das Plakat in arabischer Schrift abgewiesen werden, kündigt er rechtliche Schritte an. "Dann geht es los", reibt sich der Provokateur die Hände. Der Kampf werde dann in den Gerichtssaal verlegt.

Supreme Court

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auch Supreme Courts in jedem einzelnen Bundesstaat. Der Supreme Court ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Der Supreme Court tagt in Washington, D.C., die anderen Bundesgerichte sind landesweit verteilt.

Justitia (dpa)
Justitia / ( dpa )
Quelle:
KNA