Nominierung für erste Afroamerikanerin am Supreme Court

Bidens Versprechen trifft auf wenig Widerstand

US-Präsident Joe Biden will mit der Berufung einer schwarzen Richterin am obersten Gericht Geschichte schreiben. Ändern dürfte das an der Machtbalance in dem mit 6:3 von Konservativen dominierten Supreme Court wenig.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Supreme Court in den USA / © Konstantin L (shutterstock)
Supreme Court in den USA / © Konstantin L ( shutterstock )

Manchmal sagt das, was nicht passiert, in der US-Hauptstadt mehr über die Lage aus als die politische Bühnenshow. So auch an diesem Donnerstag, als US-Präsident Joe Biden dem scheidenden Richter am Obersten Gericht Stephen Breyer im Lincoln Room des Weißen Hauses für seine Verdienste dankte.

Der Raum war mit Bedacht ausgewählt: Der liberale Richter ist ein erklärter Verehrer Abraham Lincolns.

"Es ist an der Zeit"

Die USA seien "ein anhaltendes Experiment", zitierte Breyer aus der "Gettysburg Address" zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs. Und er fügte hinzu, dies gelte bis heute. "Die USA sind ein kompliziertes Land". Doch er sei optimistisch, dass die jungen Amerikaner es voranbrächten.

Biden nutzte die Gelegenheit, sein Versprechen aus dem Wahlkampf 2020 zu bekräftigen, die Vakanz mit einer schwarzen Richterin nachzubesetzen. Er werde seinen Vorschlag bis Ende Februar unterbreiten. "Es ist an der Zeit", so der Präsident. 

US-Präsident Joe Biden / © Carolyn Kaster/AP (dpa)
US-Präsident Joe Biden / © Carolyn Kaster/AP ( dpa )

Es dauerte bis 1967, als der Senat mit Thurgood Marshall den ersten Afroamerikaner für ein Richteramt am Supreme Court bestätigte. Bis 1981 mussten die US-Amerikanerinnen auf die erste Frau in höchstrichterlicher Robe warten, Sandra Day O'Connor. Und bis heute machen schwarze Frauen laut Analyse der American Bar Association, der Standesorganisation der Anwälte, nur etwa zwei Prozent aller Juristen aus.

"Historische" Nominierungen

Biden hat im ersten Jahr seiner Amtszeit mit acht Afroamerikanerinnen mehr Richterinnen nominiert, als in allen Berufungs- und höheren Bundesgerichten der USA bisher zusammen dienten. Das Etikett "historisch" ist aus Sicht von Analysten des Supreme Court daher angebracht.

Und es könnte erklären, warum am Tag nach Breyers Rücktritt das große Gebrüll ausblieb, das in den vergangenen Jahren die Schlacht um die Besetzung vakanter Richtersessel begleitete. "Wir wissen nicht mal, wer nominiert wird", gab sich der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell ungewohnt gedämpft.

"Es ist nicht ganz so dringend für die Linke oder Rechte", bringt der Rechtsgelehrte Josh Blackman von der konservativen "Federalist Society" die Ausgangslage auf den Punkt. Und die Präsidentin der "Concerned Women for America", Penny Nance, pflichtet bei: "Das ist ein glatter Tausch."

Das war anders, als McConnell 2016 über neun Monate Barack Obamas Kandidaten Merrick Garland als Nachfolger von Antonin Scalia blockierte, um dann nach der Wahl Donald Trumps den erzkonservativen Neil Gorsuch durchzusetzen. Oder die Nachbesetzung des unberechenbaren Richters Anthony Kennedy durch den strammen Rechtskonservativen Brett Kavanaugh. Und schließlich 2020, kurz vor den Wahlen, das Durchpauken von Amy Coney Barrett als Nachfolgerin der linken Ikone Ruth Bader-Ginsburg, womit sich die Achse des Supreme Court auf absehbare Zeit nach rechts verschob.

Egal, für welche Afroamerikanerin sich Biden entscheidet; sie ersetzt einen weißen Liberalen. Die Bestätigung im Senat scheint trotz der hauchdünnen Mehrheit sicher, weil nicht mal die notorischen Wichtigtuer der Demokraten, die Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema, Bedenken angemeldet haben.

"Zügiges Bestätigungsverfahren" erwartet

Senatsführer Chuck Schumer versprach ein "zügiges Bestätigungsverfahren" - was nicht unbedingt heißt, dass die Anhörungen im Senat geräuschlos über die Bühne gehen werden. Das hat mit den Zwischenwahlen im November zu tun. Beide Seiten sehen in der Nachbesetzung eine Chance, ihre Wähler daran zu erinnern, warum sie zur Urne gehen sollen. Wobei sich die Demokraten mehr davon versprechen, weil das Ringen um die Bestätigung im Senat einhergeht mit dem erwarteten Grundsatzurteil des Supreme Court zu Abtreibung.

Nicht einmal die Personalie selbst wird von zu allzu viel Spannung begleitet. Das hat mit dem sehr öffentlichen Werben des schwarzen Kongressführers James Clyburn für die Bundesrichterin J. Michelle Childs (55) aus seinem Heimatstaat South Carolina zu tun. Biden wird seinem Freund, dem er bei den Vorwahlen in dem Südstaat seine politische Wiederauferstehung und damit die Präsidentschaft zu verdanken hat, kaum dessen Wunsch verweigern können.

Mit im Rennen sind auch Bundesberufungsrichterin Ketanji Brown Jackson (51) aus dem District of Columbia und die kalifornische Verfassungsrichterin Leondra Kruger (45). Biden erwähnte im Weißen Haus keinen der Namen. "Ich habe keine Entscheidung getroffen, bis auf eine", betonte der Präsident. "Die Person, die ich aufstelle, wird außerordentliche Qualifikationen haben, Charakter, Erfahrung und Aufrichtigkeit. Und diese Person wird die erste schwarze Frau sein, die je für den Supreme Court der Vereinigten Staaten nominiert worden ist."

Supreme Court

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auch Supreme Courts in jedem einzelnen Bundesstaat. Der Supreme Court ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Der Supreme Court tagt in Washington, D.C., die anderen Bundesgerichte sind landesweit verteilt.

Justitia (dpa)
Justitia / ( dpa )
Quelle:
KNA