In einem Interview der Zeitschrift "Publik-Forum" zeigte Kohlgraf sich zuversichtlich, "dass wir einen Teil der Ernte einfahren werden". Es sei für ihn "keine Frage, dass es auch in außerehelichen Partnerschaften Sinndimensionen gibt, die ich segnen kann", so Kohlgraf. "Da stehe ich auf dem Boden einer soliden Theologie."
Man könne nicht "Halbsätze aus der Bibel, die sich auf Homosexualität und deren Bewertung beziehen" als "ewig gültiges Wort Gottes" behandeln, ohne den Hintergrund zu berücksichtigen. "Da würde ich mir mehr Differenzierung und einen exegetischen Blick wünschen." Die Kirche habe auch von den Humanwissenschaften zu lernen. Sollte das Reformpapier zur Homosexualität bei der Vollversammlung in Frankfurt scheitern, müsse man sich fragen, "welche Botschaft wir damit aussenden".
Keine weiteren "Stoppschilder" aus Rom
Die Argumente für die Öffnung aller Weiheämter für Frauen könne er "gut mittragen", sagte Kohlgraf. Allerdings sei nicht damit zu rechnen, dass sich in diesem Punkt in absehbarer Zeit etwas ändere. Das wüssten auch alle, die an dem entsprechenden Grundsatzpapier mitgearbeitet hätten. "Es wäre schon einiges gewonnen, wenn wir in die Weltkirche hinein vermitteln könnten, dass es im Neuen Testament Hinweise gibt, dass sich die Ämterfrage auch ganz anders hätte entwickeln können", so Kohlgraf. Kein Bischof werde aber "einen kirchenspalterischen Akt vornehmen".
Weitere "Stoppschilder" aus Rom erwarte er eher nicht, sagte der 55-jährige Bischof. Als Erfolg wertete Kohlgraf, dass sich das Thema sexueller Missbrauch in allen Grundlagentexten und Handlungsempfehlungen widerspiegele. Auch wenn der Synodale Weg als Reaktion auf die MHG-Studie von 2018 mit "heißer Nadel" gestrickt worden sei, so habe er doch "richtige und wichtige Akzente" gesetzt. "Es ärgert mich schon, wenn ich sehe, dass andere Bischofskonferenzen diese Frage einfach aussitzen, während wir verdächtigt werden, nicht mehr katholisch zu sein."
"Weiteres Gremium problematisch"
Skeptisch äußerte sich Kohlgraf über eine mögliche Einrichtung eines Synodalen Rates aus Bischöfen und Laien in der katholischen Kirche in Deutschland, der gemeinsam Entscheidungen treffen solle. "Ein weiteres Gremium halte ich für problematisch." Die Rolle des Diözesanbischofs werde sich "durch den Synodalen Rat nicht verändern", so Kohlgraf.