Anglikanischer Priester würdigt Queen als "Respektperson"

"Im besten Sinne eine sehr fromme Frau"

Die verstorbene Königin Elizabeth war auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Der anglikanische Priester Johannes Arens würdigt nach dem Tod der Queen vor allem Ihre Religiösität. Sie habe Ihr Amt als Berufung verstanden.

Die britische Königin Elizabeth II. ist tot. / © Alessia Pierdomenico (shutterstock)
Die britische Königin Elizabeth II. ist tot. / © Alessia Pierdomenico ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Es ist etwas anderes, wenn die Königin stirbt, als wenn ein Politiker das Zeitliche segnet, oder?

Johannes Arens (Anglikanischer Priester, Domkapitular im britischen Leicester): Das ist etwas ganz anderes. Denn erstens haben die meisten Leute keinen anderen Monarchen in ihrer Lebenszeit erlebt. Da muss man schon ziemlich alt sein, um sich an einen anderen König zu erinnern und das ist ein Riesen-Einschnitt. Hinzu kommt: Im Gegensatz zu Politikern äußert sich die Königin ja niemals irgendwie politisch und hatte Popularitätswerte im höheren Bereich von 90 Prozent, was kein Politiker jemals ernsthaft hat.

Johannes Arens, Domkapitular im britischen Leicester

"Ihre persönliche Autorität ist ungeheuer."

DOMRADIO.DE: Was hat die Queen für ihr Land bedeutet?

Arens: Es gibt sehr wenig, was Großbritannien zusammenhält. Das ist im Moment ganz deutlich. Da ist der Konflikt mit Nordirland. Die Schotten wollen sich eventuell abspalten.

Was Großbritannien zusammenhält, ist eigentlich fast nur noch die Monarchie. Und zwar nicht nur die Monarchie als Institution, sondern die Königin ganz persönlich. Sie hat auch einen Stellenwert bei denjenigen Menschen, die mit der Institution der Monarchie vielleicht gar nicht so viel anfangen können. Ihre persönliche Autorität ist ungeheuer. Selbst überzeugte Republikaner zollen ihr den allerhöchsten Respekt.

Man wusste ja seit Jahren, dass die Königin irgendwann stirbt. Jedes Jahr fanden nachts in London die Proben für die Beerdigung statt. Das ist alles durchgeplant. Aber es ist dann doch noch mal ein Schock, dass sie jetzt stirbt.

Dr Johannes Arens SMMS (privat)
Dr Johannes Arens SMMS / ( privat )

DOMRADIO.DE: Gucken wir auf ihre religiöse Bedeutung, denn die Queen war ja zugleich das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Welche Bedeutung hat das für Ihre Arbeit, für Sie persönlich vielleicht auch?

Arens: Die Königin hat weder weltliche noch religiöse Macht. Sie hat aber einen ungeheuren Einfluss, gerade weil sie sich eben nicht äußert. Sie ist also eine Art Ehren-Oberhaupt, ohne echten Einfluss. Sie ist nicht so etwas wie der Papst oder wie ein Bischof.

Aber ganz wichtig und bei ihrer persönlichen Rolle ganz entscheidend ist, dass die Königin tief religiös war und ihren Krönungseid ungeheuer ernst genommen hat. Das hat sie oft betont, dass sie ihre Rolle als Verpflichtung, als Dienst und als Berufung versteht. Eine Berufung sucht man sich nicht aus, eine Berufung folgt man. Und sie ist im besten Sinne eine sehr fromme Frau gewesen. Das kam auch überall durch.

DOMRADIO.DE: Wie reagiert das Land jetzt und wie ganz explizit auch die Kirche? Gibt es da vorgeplante Abläufe?

Johannes Arens, Domkapitular im britischen Leicester

"Er wird das Amt ganz anders ausfüllen müssen."

Arens: Da gibt es exakt vorgeplante Abläufe. Die Leute haben sich gestern noch zu Hunderten oder Tausenden in London oder an den anderen Palästen einfach spontan versammelt. Denn das ist ein Riesen-Einschnitt. Zumal, weil wir politisch - wie auch ganz Europa oder mehr oder weniger die Welt - in einer relativen Krisensituation stecken und die Politik in einer Vertrauenskrise.

Kirchlicherseits, genau wie staatlicherseits, sind die nächsten zehn bis elf Tage komplett durchgeplant. Es gibt eine Erwartungshaltung, dass in den Pfarreien Gedenkgottesdienst stattfinden. Wann das genaue Beerdigungsdatum ist, wird noch bekannt gegeben. Das kommt heute irgendwann raus. Wahrscheinlich in elf Tagen.

DOMRADIO.DE: Im Sinne der Thronfolge ist der bisherige Prinz Charles seit gestern Abend König Charles III. Was erwarten Sie von ihm?

Arens: Die Änderung wurde sofort deutlich, weil sich die Nationalhymne in der Sekunde des Todes der Königin verändert hat. Seit gestern Abend heißt es: God save the King - was keiner in den letzten 70 Jahren gesungen hat. Charles ist 73, er hat sich mehr auf die Rolle vorbereitet als jemals jemand vor ihm. Und es war immer schwierig, denke ich, bis ins Pensionsalter zu kommen, ohne das Amt anzutreten.

Es gibt wohl niemanden, der besser vorbereitet ist auf die Rolle. Aber, seiner Mutter nach 70 Jahren nachzufolgen, ist sicherlich eine Herausforderung. Er wird das Amt ganz anders ausfüllen müssen. Es ist, denke ich, ganz ähnlich wie damals vor 100 Jahren, als jemand Queen Victoria nachfolgen musste. Wo sich auch niemand vorstellen konnte, wie das nach so langer Zeit gehen sollte? Ich bin gespannt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das «Book of Common Prayer».

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
DR