Londoner Pfarrer betrübt über Tod von Queen Elizabeth II.

"Sie wird uns Christen fehlen"

Queen Elizabeth II. hat das Leben vieler Britinnen und Briten geprägt. Ihr Tod mit 96 Jahren stürzt das Land in Trauer. Der Londoner Pfarrer Andreas Blum hat vor allem ihre Glaubwürdigkeit und religiöse Überzeugung geschätzt.

Trauer um Königin Elizabeth II. / © Paul Grover/Daily Telegraph (dpa)
Trauer um Königin Elizabeth II. / © Paul Grover/Daily Telegraph ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie vom Tod der Queen erfahren?

Andreas Blum (Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde Sankt Bonifatius in London): Ich war gestern in der Stadt und wollte ins Theater. Vor dem Theater hatte sich dann schon eine etwas größere Zuschauermenge versammelt. Und man merkte, irgendetwas war passiert. Es fanden Diskussionen statt, ob das Theaterstück aufgeführt werden sollte oder nicht. Es waren Vorstellungen einer neuen Komödie. Das Stück ist dann tatsächlich aufgeführt worden. Aber im Theatersaal wurde natürlich auch erst der Queen mit einer Schweigeminute gedacht. Ich hatte den Eindruck, die Komödie zündete auch nicht so wirklich, weil die Leute mit den Gedanken ganz woanders waren.

Pfarrer Andreas Blum

"Man merkt wirklich, dieses Land hat im Moment kein anderes Thema."

DOMRADIO.DE: Sie waren gestern noch länger unterwegs in der Stadt. Wie geht es den Britinnen und Briten, den Londonerinnen und Londonern?

Blum: Die Werbetafeln und Anzeigetafeln an den U-Bahnhöfen und Bushaltestellen waren alle mit dem Bild der Queen und der Nachricht ihres Todes versehen. Die großen Werbetafeln in der City kannten eigentlich nur noch diese eine Nachricht. Es war am Abend eine eher gedämpfte Stimmung. Auch vor den Pubs, wo sonst große Menschenmassen stehen, hatte sich eigentlich fast alles verlaufen. Das Fernsehprogramm war unterbrochen, die Moderatoren alle in Schwarz gekleidet. Es gab keine anderen Nachrichten mehr. Man merkt, dieses Land hat im Moment kein anderes Thema.

Andreas Blum, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Sankt Bonifatius in London / © Andrej Karpinski (KNA)
Andreas Blum, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Sankt Bonifatius in London / © Andrej Karpinski ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Queen war auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Wie groß ist der Verlust für die anglikanische Kirche?

Blum: England müssen Sie sich heute als ein sehr säkulares Land vorstellen. Noch viel säkularer, als das Deutschland vielleicht inzwischen auch geworden ist. Die Queen als Oberhaupt aller Briten war eine der ganz wenigen, der man ihren Glauben nicht nur abnahm, sondern die auf sehr dezente und unaufdringliche Art und Weise auch immer wieder vom Glauben sprach. Man hatte fast den Eindruck, je weniger religiös das Land ist, umso mehr stellt die Queen Religion in den Vordergrund und zwar auf eine sehr überzeugende Art und Weise. Da wird sie der anglikanischen Kirche oder uns Christen überhaupt in diesem Land sehr fehlen.

DOMRADIO.DE: Jetzt wird es im Prinzip eine zehntägige Trauerfeier geben. Der Leichnam der Queen wird in verschiedenen Kirchen und Basiliken aufgebahrt. Wie wird das in den nächsten Tagen ablaufen?

Blum: Gestern hat man sich noch mit irgendwelchen Plänen zurückgehalten. Das galt als pietätlos. Aber natürlich ist alles schon von langer Hand geplant. Das war die sogenannte "Operation London Bridge", die für diesen Fall mehrfach geprobt hat, was passieren sollte. Nun ist die Königin nicht in London oder in Windsor gestorben, sondern in Schottland. Auch dafür gab es dann ein Protokoll. Das war die "Operation Unicorn", also das Wappentier der Schotten.

Es wird für die Bevölkerung die Möglichkeit geben, sowohl in Edinburgh als auch in London, von der Königin Abschied zu nehmen. Online wird es ein Kondolenzbuch geben, in das man sich eintragen kann. Und für den 19. September ist dann ein Staatsbegräbnis gedacht, ein nationaler Trauertag für alle Briten.

Pfarrer Andreas Blum

"Man hatte fast den Eindruck, je weniger religiös das Land ist, umso mehr stellt die Queen Religion in den Vordergrund."

DOMRADIO.DE: Die Queen war sehr gläubig. Papst Franziskus hat das auch gewürdigt. Was schätzen Sie besonders an Queen Elizabeth II.?

Blum: Diese Schlichtheit und Einfachheit ihrer Aussagen, die dann aber auch durch ihr eigenes Leben gedeckt werden. Wenn sie davon gesprochen hat, dass der Glaube eine Hilfe ist, durch Krisen hindurch zu kommen, dann weiß man bei ihr und der wechselvollen Geschichte, die ihr Königreich seit ihrem Regierungsantritt gehabt hat, dass das keine leeren Floskeln sind.

Als sie zum Beispiel in der Corona-Pandemie dem Volk Mut zugesprochen hat und gesagt hat: "Wir werden uns wiedersehen, wir können davon ausgehen und sicher sein, dass am Ende es gut werden wird", war das keine Floskel, die man einfach so dahersagt. Sondern man wusste, diese Frau hat schon so viel erlebt und mitgemacht. Ihr kann ich das abnehmen. Diese Schlichtheit auf der einen Seite, die aber vom eigenen Leben gedeckt war, machte sie zu einer solch überzeugenden Figur für die ganze Nation.

DOMRADIO.DE: Ein Zitat hat sie besonders beeindruckt. Welches?

Blum: In der Fernsehansprache 1957 - und das kam gestern wieder und wieder - hat sie quasi am Anfang ihrer Regentschaft gesagt: Ich kann Euch nicht in den Krieg führen, ich kann Euch keine Gesetze geben oder Recht sprechen, aber ich kann etwas anderes für Euch tun. Ich kann Euch mein Herz geben, meine Hingabe an diese alten Inseln und all die Völker unserer brüderlichen Nationen.

Das Interview führte Martin Mölder.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das «Book of Common Prayer».

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
DR