DOMRADIO.DE: Es gab ganz unterschiedliche Signale. Das Papier zur Sexuallehre ist gescheitert, aber das Grundlagenpapier über eine neue Rolle für Frauen in der Kirche fand eine breite Mehrheit. Unterm Strich dann doch ein Erfolg?
Prof. Dr. Julia Knop (Professorin für Dogmatik, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt): Es ist zumindest prozedural ein Erfolg gewesen, dass wir nach dieser riesigen Krise am Donnerstagabend einen Weg gefunden haben weiterzumachen. Vielleicht war es auch ein bisschen zufällig, welches der erste Text war.
Ich glaube, das Problem war vor allem ein machtpolitisches. Die Verhinderer, die notorischen Neinsager, wollten mal zeigen, wo der Hammer hängt und welche Macht sie haben.
DOMRADIO.DE: War das eigentlich geplant aufzustehen und zu protestieren, wenn diese Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht zustande kommt?
Knop: Das ist mir nicht bekannt, dass da jetzt ein Gesamtplan war. Ich denke, dass sich jeder, jede Synodal:in überlegt hat, was mache ich, was ist für mich die rote Linie.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das wahrgenommen, dieses Gegeneinander zwischen Laien und Bischöfen? War das fruchtbar?
Knop: Ein Gegeneinander ist selten fruchtbar, aber wir haben natürlich aus diesem Schockeffekt sehr gelernt. Sehr deutlich wurde, dass die sogenannten Lai:innen die Bischöfe fordern, dass sie sagen: Damit kommt ihr nicht davon, ihr müsst euch mindestens erklären.
Und es geht überhaupt nicht an, dass Texte nicht gelesen werden und am Ende einfach nur ein Nein steht. Denn darin zeigte sich im Grunde, wie unter Laborbedingungen, was wir meinen, wenn wir sagen, dass es systemische Faktoren von Machtmissbrauch gibt. Die zeigen sich nämlich genau darin, dass Bischöfe, wenn sie etwas verhindern wollen, das auch gegen die Mehrheit der Gläubigen durchsetzen können.
DOMRADIO.DE: Sie sind Professorin für Dogmatik an der Uni Erfurt. Es wird ja bis heute kritisiert, in den beschlossenen Papieren fehle die Theologie. Stimmt das?
Knop: Das ist schon eine ziemliche Unverschämtheit, die da immer wieder aufgekommen ist, die aber dann inhaltlich reichlich vage blieb. Da sei in den Texten schon viel Gutes dabei, aber noch nicht durchdacht. Ich glaube, das Problem ist im Wesentlichen gewesen, dass die Leute, die das gesagt haben, das Problem selbst noch nicht durchdacht haben.
Die Texte sind zum großen Teil sehr, sehr gut, teils herausragend. Natürlich kann man es immer noch ein bisschen besser machen – aber an mangelnder theologischer Qualität scheitert dieser Prozess auf jeden Fall nicht.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich in dem ganzen Reformprozess sehr engagiert, auch mit Ihren Wortbeiträgen in Frankfurt. Was sind jetzt die nächsten Schritte, die Ihrer Ansicht nach gegangen werden müssen, damit all die guten Reformideen und Beschlüsse dann auch umgesetzt werden?
Knop: Ganz wichtig ist, dass sichtbare Schritte kommen. Ein ganz wichtiger, sichtbarer Schritt, der einen hohen Symbolwert hätte, wäre die Erneuerung der Grundordnung, also des kirchlichen Arbeitsrechts, aber auch eine grundlegende Erneuerung der Kommunikation in den Bistümern.
Beim Synodalen Weg selbst müssen wir schauen, dass wir wichtige weitere Schritte gehen und dass der Synodale Rat, also das Konzept für eine Verstetigung, eine Normalisierung dieser Weise, gemeinsam zu beraten, zu entscheiden, dass wir das konkretisieren und dass das in die Wirklichkeit überführt wird.
Die Bischöfe haben zudem die Aufgabe, die Texte zur Geschlechtergerechtigkeit und zur Neubewertung queerer Sexualität in sehr konkrete Forderungen auch gegenüber Rom zu formulieren und dort auch dafür einzustehen.
DOMRADIO.DE: Wann kommt bei uns was an in den Kirchengemeinden, an der Basis? Was werden die ersten konkreten Schritte sein, die die Kirche verändern werden und auch die Katholikinnen und Katholiken spüren werden an der Basis?
Knop: Ganz zentral ist wirklich eine Umstellung der Kommunikation, dass die Gläubigen die Bischöfe fordern, dass die Gläubigen die Priester fordern, dass wir zu einem anderen Kommunikationsstil kommen. Sehr konkrete Veränderungen werden kommen, wenn wir den Text "Gemeinsam beraten und entscheiden" in der kommenden Synodalversammlung hoffentlich verabschieden werden.
Denn das ist ein Punkt, der Synodalität auch auf die Bistums- und Pfarreiebene bringt. Wir brauchen, was die Texte zu queerer Sexualität von Gläubigen, aber eben auch von Priestern angeht, ebenfalls eine fundamental erneuerte Kultur und die hat jetzt einen guten theoretischen Rückhalt. Das muss sich natürlich in die Realität übersetzen, damit Denunziation und Angst queerer Personen in der Kirche endlich ein Ende nehmen.
Das Interview führte Tobias Fricke.