Die Kirche Sankt Andreas in Ahrbrück im Ahrtal wird abgerissen. Ein Gutachten des Bistums Trier bescheinigt für den Gebäudekomplex mit Unterkirche und angrenzendem Pfarrhaus einen wirtschaftlichen Totalschaden. Es ist die erste katholische Kirche, die in Folge der Flutkatastrophe aufgegeben wird. Am Freitag findet dort der letzte Gottesdienst statt. Ein Termin für den Abriss steht noch nicht fest.
Der angekündigte Abriss polarisiert. Von einer "sehr spannungsreichen Gefühlslage" spricht der Ahrbrücker Pfarrer Axel Spiller. Der Enttäuschung und dem Unverständnis mancher Bürgerinnen und Bürger wolle er zu Beginn des Abschiedsgottesdienstes am Freitag Raum geben.
Viele Menschen verbänden mit der Kirche prägende Erlebnisse wie Hochzeiten oder Beerdigungen, aber auch Ortsgeschichte. "Das lässt das Herz zerreißen", sagt Spiller.
Bischof Ackermann spricht von schmerzlichem Schritt
Die Entscheidung, die Kirche abzureißen, hat das Bistum Trier getroffen, auf Bitte des Kirchengemeinderats, so heißt es in einer Stellungnahme. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann spricht von einem schmerzlichen Schritt. Mit Blick auf das große Ganze könne er einen Wiederaufbau aber nicht verantworten.
Die Zahlen sprechen für sich: Laut Bistum kostet allein die Sanierung der Kirche mindestens 2,5 Millionen Euro. 80 Prozent davon könnten durch den staatlichen Aufbaufonds finanziert werden. Den verbleibenden Eigenanteil kann die Kirchengemeinde jedoch nicht stemmen. Dazu kämen Kosten für Renovierungen, beispielsweise für ein neues Dach und eine neue Heizung, außerdem hohe Kosten für den Unterhalt des Gebäudes. Für den Abriss von Kirche und Pfarrhaus fallen demnach etwa 750.000 Euro an, die allerdings auch zu 80 Prozent vom Aufbaufonds übernommen werden können.
Ein weiterer Punkt gegen den Wiederaufbau ist die Lage direkt an der Ahr. Schon vor 2021 standen die Gebäude mehrfach unter Wasser.
Infolge des Klimawandels geht das Bistum davon aus, dass Starkregen und Überschwemmungen das Gelände künftig öfter treffen werden.
Im Alltag zu groß
Aber auch abseits der Finanzen stellt sich die Frage, für wen Sankt Andreas wieder aufgebaut werden sollte. Die Kirche bietet Platz für rund 350 bis 400 Personen - und ist damit im Alltag inzwischen einfach zu groß. Vor Corona wurden laut Pfarrbüro im Schnitt etwa 60 Gottesdienstbesucher gezählt - die finden auch in einer der umliegenden Kapellen Platz. Die evangelische Kirche hat zudem angeboten, Kapelle und Gemeindezentrum in Ahrbrück gemeinsam zu nutzen.
Spiller sagt: "Wir können die großen Gebäude nicht mehr füllen." Nur zu besonderen Gelegenheiten sei die Kirche gut besucht gewesen. Sie zu erhalten "wäre nicht ehrlich und würde den Blick vor den sichtbaren Entwicklungen verschließen". Dennoch schmerze es, "die Wahrheit wahrzunehmen und auszusprechen". In Ahrbrück erzwingt die Flut eine Entscheidung. Ähnliche Schritte kommen mit Blick auf die Kirchenkrise perspektivisch aber wohl auf viele Kirchengemeinden zu.
Argumente sind das eine, Gefühle das andere. Ohnmächtig und enttäuscht seien einige Gläubige, sagt Spiller. Als Zeichen des Protests, von der Hauptstraße gut zu sehen, hängt an der Außenwand der Kirche ein Banner. Es zeigt auf weißem Grund eine Zeichnung der Kirche, zugeordnet Worte wie Geborgenheit, Zuflucht, Hoffnung, Begegnung, Kraft, Wurzeln, Gemeinschaft. Eine rote Abrissbirne mit Aufschrift "Bistum Trier", die an einem Kran daneben baumelt, bedroht die Kirche.
Auch eine Petition für den Erhalt der Kirche wurde gestartet. Im begleitenden Text heißt es, die Begründung mit zu hohen Kosten sei "beschämend, traurig und nicht glaubwürdig".
Reliquien bereits aus Altar entfernt
Ortsbürgermeister Walter Radermacher erinnert sich noch an den Bau der Kirche in den 1960er Jahren, als er selbst im Grundschulalter war. Auch an die großen Feiern in der Kirche, mit Gästen aus den umliegenden Orten. "Wunderbar war das", meint Radermacher. Aber es sei eben nicht mit heute zu vergleichen.
Im Gottesdienst am Freitag mit Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg und Pfarrer Spiller wird die Weihe von Sankt Andreas von 1967 zurückgenommen. Aufgrund der Flut läuft auch die Profanierung anders als üblich. Die Kirche ist seit Wochen geschlossen und weitgehend leer geräumt. Das Gebäude ist mit Schadstoffen belastet, der Gottesdienst findet daher auf der Wiese hinter der Kirche an der Ahr statt. Die Reliquien wurden bereits aus dem Altar entfernt. Der Generalvikar liest die bischöfliche Urkunde zur Entweihung vor. Dann läuten ein letztes Mal die Kirchenglocken.