In einer spontanen Erklärung am Freitag sagte Becciu, es sei auch in Rücksprache mit dem Heiligen Vater in der Affäre Marogna höchste Verschwiegenheit vereinbart worden. Ein in Zeugenbefragungen zuvor thematisiertes Treffen mit der vatikanischen Gendarmerie 2020 sei ebenfalls streng vertraulich gewesen; laut Becciu auf Wunsch der Vatikan-Polizei.
Verteidigung und Gegenoffensive
Auch verteidigte der Kardinal Überweisungen in seine sardische Heimatdiözese. Diese seien rechtmäßig nach dem "Gesetz der Liebe und Selbstlosigkeit" getätigt worden. Kein einziger Cent sei in die Tasche seines Bruders, Leiter der dort ansässigen Caritas-Kooperative Spes, geflossen. Zugleich griff Becciu den Kommissar des Gendarmeriekorps, Stefano De Santis, und den Hauptzeugen und Nebenkläger Alberto Perlasca verbal an.
So warf er die Frage auf, warum Überweisungen in Perlascas Heimatdiözese Como nicht mit gleicher Akribie untersucht worden seien. Der Ex-Verwaltungsleiter im vatikanischen Staatssekretariat spielt eine entscheidende Rolle im Prozess.
Aussagen des Polizeikommissars
De Santis hatte Beccius Umgang mit Marogna bei seiner Befragung an den Tagen zuvor kritisch kommentiert. Nach Aussage des Polizeikommissars hat Becciu frühzeitig gewusst, dass Marogna 600.000 Euro veruntreut haben soll. Und der Kardinal sei es gewesen, der in dem besagten Treffen 2020 um Stillschweigen gebeten habe - aus Selbstschutz.
Laut De Santis habe es zudem keine Hinweise darauf gegeben, dass das Geld von Marogna als Lösegeld für eine entführte kolumbianische Ordensfrau genutzt worden sei, wie von Becciu behauptet. Es sei allein für Marognas private Interessen verwendet worden. De Santis hatte zudem die Überweisungen nach Sardinien auf ein "gemischtes Konto" der dortigen Diözese als fragwürdig dargestellt.
Finanzskandal im Vatikan
Im Kern geht es in dem Prozess um mögliche Straftaten beim Erwerb einer Londoner Immobilie. Hierbei sollen Medienberichten zufolge auch Spenden aus der päpstlichen Sammlung "Peterspfennig" benutzt worden sein. Die Immobilie hat der Vatikan inzwischen mit einem Verlust von nach eigenen Angaben rund 130 Millionen Euro verkauft. Im Fall des angeklagten Kardinals Becciu werden im Prozess zudem Geldüberweisungen in sein Heimatbistum auf Sardinien behandelt.
Neben ihm und Marogna sitzen neun weitere Ex-Mitarbeiter oder vom Vatikan zwischenzeitlich beauftragte Personen auf der Anklagebank. Die Vorwürfe gegen sie reichen von Unterschlagung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Betrug über Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung.