Was dürfen kirchliche Karikaturen und was nicht?

"Emanzipatorisches Instrument von unten"

Heiko Sakurai ist preisgekrönter Karikaturist und brachte das erste Comic-Buch über die Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel  "Miss Tschörmänie" heraus. Er zeichnet für diverse Zeitungen und auch seit Jahren für das Bistum Münster.

Eine Karikatur von Heiko Sakurai für eine Zeitung / © Heiko Sakurai (privat)
Eine Karikatur von Heiko Sakurai für eine Zeitung / © Heiko Sakurai ( privat )

DOMRADIO.DE: Wie viel Humor hat die Kirche im Bistum Münster?

Karikaturist Heiko Sakurai / © Heiko Sakurai (privat)
Karikaturist Heiko Sakurai / © Heiko Sakurai ( privat )

Heiko Sakurai (Karikaturist): Ich kann nicht für das gesamte Bistum sprechen und noch weniger für die gesamte Kirche. Ich kann nur für die Mitarbeiter des Bistums sprechen und ich finde, dass die viel Humor haben.

Es läuft tatsächlich so, dass die mir immer schon sehr genau sagen, was sie sich vorstellen. Ich setze das dann zeichnerisch um. Ich finde, dass die wirklich super Ideen haben, bei denen ich oft sage: "Mein Gott, auf die Idee wäre ich jetzt nicht gekommen".

Und deswegen habe ich auch kein Problem von ihnen relativ klare Vorgaben anzunehmen und zu akzeptieren, weil ich mit dem Endprodukt der Zeichnung eigentlich immer zufrieden bin. Ich finde, sie sind sehr liberal, sehr humorvoll und von daher ist das für mich eine sehr angenehme Zusammenarbeit.

Bischof Genn während einer Predigt / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Bischof Genn während einer Predigt / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Zeichnerisch kommen Sie im Bistum Münster auch an Bischof Genn nicht vorbei. Gab es Situationen, in denen Ihre Zeichnungen komplett zurückgewiesen wurden?

Sakurai: Nein. Dadurch, dass ich ein klares Briefing bekomme, wird diese Klippe umfahren. Ich glaube auch, dass dem Bistum ein guter Bischof vorsteht und dass die Probleme, die es in der katholischen Kirche, vielleicht auch in Deutschland gibt, eher in der personellen Besetzung anderer Bistümern liegen.

Ich habe persönlich nie eine negative Erfahrung gemacht. 

DOMRADIO.DE: Gibt es Dinge, die Sie in Bezug auf Kirche und Religion grundsätzlich nicht zu Papier bringen würden? 

Sakurai: Nö. Ich muss mich als politischer Karikaturist, das ist meine Haupttätigkeit, gerade mit den negativen Themen beschäftigen, die die Kirche ebenso betreffen wie die Politik.

Eine Karikatur gerade im Kommentarbereich definiert sich darüber, dass sie Missstände in einer bestimmten Art aufzeigt oder zumindest einen Witz darüber macht.

Über positive Sachen muss ich nichts zeichnen, zumindest nicht in Zeitungen, nicht in der politischen Karikatur. Da ist es natürlich klar, dass ich über Missbrauch, über die Debatte, über Abgehobenheit des Führungspersonals in der katholischen Kirche oder in der Kirche generell natürlich schon dazu gezeichnet habe.

DOMRADIO.DE: Welchen Stellenwert hat Satire für Sie? Wie kommen Sie auf die Ideen, das letztendlich dann grafisch umzusetzen?

Sakurai: Satire hat für mich einen hohen Stellenwert, weil ich damit mein tägliches Brot verdiene. Ich finde, dass Satire insgesamt einen hohen Stellenwert haben sollte oder auch hat, im Leben.

Durch Satire ist es einerseits lehrreich, andererseits ist es auch lustig. Es ist eine Art sehr angenehmes Infotainment eigentlich.

Ich spreche jetzt natürlich pro domo, aber deswegen finde ich auch, dass Karikaturen im Journalismus durchaus auch eine gewinnbringende Funktion haben. Es geht darum, dass man trockene oder schwierige Themen ein bisschen herunterbricht, ein bisschen vereinfacht oder auf einen Aspekt reduziert und darüber dann eine satirische oder manchmal mehr oder weniger lustige, manchmal auch traurige oder böse Zeichnung macht.

Damit informiert man die Leute nicht nur über die eigene Meinung, die Betrachter bekommen einen Denkanstoß oder sie haben vielleicht sogar ein bisschen Spaß. Von daher finde ich, dass Satire in der Öffentlichkeit und in der öffentlichen Debatte auch eine Rolle spielen sollte. Das tut sie bereits und das wird auch durchaus geschützt.

Heiko Sakurai (Karikaturist)

"Die Karikatur definiert sich als emanzipatorisches Instrument von unten nach oben"

DOMRADIO.DE: Was darf eine Karikatur auf gar keinen Fall?

Sakurai: Es ist ein No-Go, sich über Opfer, Schwächere, Menschen, die irgendwie in Probleme gekommen sind, ohne ihr Dazutun, ohne ihre Schuld lustig zu machen. Die Karikatur definiert sich als emanzipatorisches Instrument von unten nach oben, ist also eigentlich gegen die Leute gerichtet, die Macht haben.

Ob das jetzt politische Macht ist, wirtschaftliche oder meinetwegen auch religiöse oder gesellschaftliche Macht. Sie definiert sich darüber, dass sie natürlich auch einen aufklärerischen Impetus haben sollte. Einen Erkenntnis-Mehrwert plus den Witz, die Satire als Verpackung oder als Zucker, um das Ganze schlucken zu können.

Von daher ist es für eine Karikatur wirklich vollkommen inakzeptabel, wenn sie von oben nach unten tritt. Wenn sie auf Schwächere tritt. Wenn sie nicht aufklärerisch ist, sondern propagandistisch.

Und wenn sie natürlich, wenn wir zum Beispiel an die Karikaturen im Dritten Reich denken, Nationalismen, Rassismen, Vorurteile oder Antisemitismus verbreiten. Das ist nach meinem Verständnis dann genau das, was eine Karikatur überhaupt nicht darf, was nicht bedeutet, dass so etwas nicht auch passiert.

Das Interview führte Oliver Kelch. 

 

Quelle:
DR