Katholische Elternschaft fordert "Sondervermögen Bildung"

"Mit Corona kann man vieles entschuldigen, aber nicht alles"

Eine Studie vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen belegt einen fast durchgängigen Kompetenzrückgang an Grundschulen. Die Katholische Elternschaft fordert mehr Einsatz für die Bildung und ein Sondervermögen.

Eine Schülerin schreibt auf einen Papierbogen / © Chinnapong (shutterstock)
Eine Schülerin schreibt auf einen Papierbogen / © Chinnapong ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wenn die Forschenden der Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) schon schockiert sind über die Ergebnisse, wie haben Sie auf die Studienergebnisse reagiert?

Marie-Theres Kastner im November 2017 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Marie-Theres Kastner im November 2017 / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Marie-Theres Kastner (Bundesvorsitzende der Katholischen Elternschaft): Die Studienergebnisse haben mich nicht unbedingt überrascht. Wir wissen seit Jahren, dass die Kompetenzen im Lesen und Rechnen an den Grundschulen rückgängig sind. Und deshalb ist es umso ärgerlicher, dass nichts passiert.

DOMRADIO.DE: Die Katholische Elternschaft ist die bundesweite Interessenvertretung katholischer Eltern. Viele dieser Eltern sorgen sich jetzt um die Zukunft ihrer Kinder. Die Maßnahmen während der Pandemie haben sicher ihren Anteil an den Ergebnissen, oder?

Kastner: Ja. Man muss sagen, dass die Kinder, die in der Corona-Zeit bei den Schulschließungen im ersten und zweiten Schuljahr waren, besonders betroffen sind. Aber mit Corona kann man sicherlich vieles entschuldigen, aber nicht alles. Wir haben vor eineinhalb Jahren eine große Umfrage gemacht und davor bereits eine. Dort haben wir eigentlich schon darauf hingewiesen, dass dringend etwas passieren muss.

Die Welt der Kinder ist gespalten. Die Eltern, die gut mithelfen können, Zeit haben und sich die Mühe machen, sich hinzusetzen, haben natürlich vieles aufgefangen, was an Lernstoff nicht vermittelt werden konnte. Aber die Kinder der anderen Eltern, die sich nicht so gekümmert haben, sind natürlich viel weiter ins Hintertreffen gekommen. Und wenn Sie so eine IQB-Studie haben, dann haben Sie ja eine Mischung. Dann haben wir ja nicht nur die eine oder nur die andere Gruppe befragt, sondern wir haben alles gemittelt.

DOMRADIO.DE: Sie haben jetzt die Bundesbildungsministerin angeschrieben in einem offenen Brief. Dort zählen Sie auf, was aktuell auf unsere Schülerinnen und Schüler und auf die Familien einprasselt. Nach der Corona-Krise kam der Krieg in der Ukraine dann dazu, die Energiekrise, die Klimakrise. Aber daran kann die Bildungsministerin ja wenig ändern, oder?

Kastner: Natürlich kann die Bildungsministerin nicht an den Zuständen in der Welt etwas ändern. Aber sie kann natürlich die Welt für die Kinder etwas erträglicher machen oder mithelfen, dass die Welt erträglicher wird. Die Schule besteht nicht nur aus Lesen, Schreiben und Rechnen. Es hat sich gerade durch Corona gezeigt, dass die Schule mehr ist. Deshalb braucht die Schule mehr unterstützende Maßnahmen, auch durch außerschulische Institutionen und Einrichtungen. Das alles trägt natürlich dazu bei, dass die Kinder bereiter sind, zu lernen und auch Lernfortschritte zu machen.

Marie-Theres Kastner, Bundesvorsitzende der Katholischen Elternschaft

"Die Schule besteht nicht nur aus Lesen, Schreiben und Rechnen. Es hat sich gerade durch Corona gezeigt, dass die Schule mehr ist"

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es von Olaf Scholz immer wieder mal einen Wumms, einen Doppel-Wumms, Zeitenwende und Sondervermögen - was ja nichts anderes ist, als neue Schulden aufzunehmen. Sehen Sie die Bildung da zu wenig berücksichtigt?

Kastner: Ja. Insgesamt, und das schon seit vielen Jahren. Die IQB-Studie war ja eine Studie zur Situation in ganz Deutschland. Es betrifft nicht nur ein Bundesland und deshalb nicht nur die Kompetenz der Länder und der Kultusminister in den Ländern. Sondern ich glaube, hier müsste auch massiv unterstützt werden. Wir haben den Digitalpakt in den letzten Jahren gehabt, der vor Formalitäten nur so strotzte, und der deshalb an vielen Stellen gar nicht so abgerufen wurde, wie das vielleicht möglich ist. Aber ich glaube, man muss sich endlich damit beschäftigen, die Situation der Schulen zu verändern.

Vielleicht auch ganz besonders die Situation des Lehrpersonals. Denn da haben wir den größten Mangel. In allen Bundesländern gibt es zu wenig Lehrer. Wir brauchen Kampagnen für Jugendliche oder Abiturienten, die dann Lehrer werden könnten, wollten, sollten. Aber wir müssen natürlich insgesamt die Situation der Lehrer verbessern. Und es geht nicht, dass Gymnasiallehrer, die in ihrer Referendariatszeit für ältere Kinder ganz anders pädagogisch ausgebildet werden, einfach zur Lückenfüllung in die Grundschulen stecke. Grundschulpädagogik ist etwas anderes als Gymnasialpädagogik. Das muss man einfach auch mal sagen.

DOMRADIO.DE: Bessere Qualität an den Schulen geht natürlich nicht ohne Geld. Und deswegen fordern Sie ein "Sondervermögen Bildung" von der Bildungsministerin. Aber Sie fordern sehr zaghaft. "Vielleicht wäre es an der Zeit, auch ein Sondervermögen Bildung aufzulegen", so lautet die Formulierung in dem Brief. Warum die Zurückhaltung?

Kastner: Weil ich natürlich weiß, dass ein Sondervermögen ein Schuldenpaket ist. Und dieses Schuldenpaket müssen wieder unsere Kinder abtragen. Das Sondervermögen wird ja im Moment für besonders schwierige, eklatante Fälle eingesetzt. Deshalb die Forderung nach dem Sondervermögen, weil das Kapital unserer Kinder nicht regelmäßig oder nicht gut genug benutzt wird. Aber viel lieber wäre mir natürlich ein Haushalt, in dem regelmäßig Geld eingesetzt wird, das wir brauchen, für dieses Bildungskapital, was unsere Kinder mitbringen.

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Schwache Schülerleistungen - SPD fordert Bildungskonferenz

Wegen der zunehmenden Probleme von Grundschulkindern in Nordrhein-Westfalen in Mathe und Deutsch fordert die oppositionelle SPD-Landtagsfraktion die Einberufung einer Bildungskonferenz. Schüler-, Lehrer- und Elternverbände sowie die kommunalen Spitzenverbände und Wissenschaftler sollten "in einem langfristig angelegten Prozess und im gemeinsamen Dialog ein gemeinsames Konzept zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit unseres Bildungswesens" erarbeiten, heißt es in einem von der SPD-Fraktion beschlossenen Antrag.

Grundschüler mit Maske im Unterricht / © 4 PM production (shutterstock)
Grundschüler mit Maske im Unterricht / © 4 PM production ( shutterstock )
Quelle:
DR