Sie stehen frühmorgens in Togos Hauptstadt Lome. An roten Ampeln. Sie ziehen durch Wohnviertel und halten vor Schulen und kleinen Bars, die ein Frühstück aus Baguette, Omelette, Instantkaffee und schwarzem Tee anbieten: Straßenprediger. Entweder klemmen sie ihre kleinen Lautsprecher unter einen Arm und halten das Megaphon mit der anderen Hand, oder sie ziehen ganze Musikanlagen in einem Bollerwagen hinter sich. Dabei beachten Passanten sie kaum - und zuhören will erst recht niemand.
Ausbildungsstätte für Straßenprediger
Ein Eindämmen des Phänomens, zumindest aber eine Ausbildung für die Prediger, hat sich die "Christliche Organisation für die Verwaltung von Kirchen" zum Ziel gesetzt. Sie entstand 2019 nach immer zahlreicheren Kirchenneugründungen, denen es an Strukturen mangelt.
Etablierte Kirchen stehen der Organisation bislang eher skeptisch gegenüber, berichtet der Präsident der Organisation, Emmanuel Attigan. Sie befürchteten eine Einmischung. Kirchen und Evangelisierung, so Attigans Vorstellung, sollten aber professionell sein. "In Togo beobachten wir, dass sie zunehmend private Unternehmen werden. Wer geschickt ist, dem gelingt es, vor allem den Ärmsten das Geld aus der Tasche zu ziehen."
Vor allem in englischsprachigen Ländern wie Nigeria gibt es den Trend schon seit Jahrzehnten. Dort wurden Pastoren zu Millionären. Auch Straßenprediger hoffen auf diese Strategie. Wieviele täglich in Lome unterwegs sind, weiß niemand genau. Zugenommen hat die Zahl in der ersten Phase der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Moscheen wie Kirchen mussten schließen, um das Virus nicht zu verbreiten. Einige schickten ihre Prediger deshalb auf die Straße. "Die meisten arbeiten jedoch allein", sagt Attigan.
Auch wenn die Gotteshäuser längst wieder geöffnet haben, sind viele geblieben. Das kann zu Konflikten zwischen den Glaubensgemeinschaften führen. Das Zusammenleben zwischen Christen, Muslimen und Anhängern traditioneller Religionen gilt in Togo zwar als friedlich. Wird jedoch aggressiv gepredigt, könnte sich das ändern, befürchtet Attigan. "Vor allem ist problematisch, wenn behauptet wird, das Christentum sei dem Islam überlegen."
Am Rand des Campus der Universität Joseph-Ki Zerbo in der Hauptstadt Burkina Fasos Ouagadougou dringt Musik aus der Uni-Kirche. Hier trifft sich die Gruppe Buisson Ardent (Brennender Dornbusch), eine charismatische Bewegung innerhalb der katholischen Kirche. Der Zusammenschluss existiert seit 27 Jahren. Einige Mitglieder lebten zuvor in der Elfenbeinküste, wo neue charismatische Bewegungen stärker verbreitet sind. "Eine Gruppe wie unsere ist eine Chance für die Kirche", sagt ihr Leiter Mathieu Sawadogo. "Unser Ziel ist die Verbreitung des Glaubens." Ganz leicht ist das in Burkina Faso nicht, sind Christen doch in der Minderheit. Mehr als 63 Prozent der 21 Millionen Einwohner bekennen sich zum Islam.
"Eine Schule der Evangelisierung"
Wer sich Buisson Ardent anschließt - fast alle sind Jugendliche und junge Erwachsene - der durchläuft zunächst eine "Schule der Evangelisierung". Jeden Sonntag gibt es Gespräche über Bibeltexte, Disziplin und Verhaltensweisen. Die Ausbildung, die keinen festen Lehrplan oder Prüfungen hat, dauert fünf bis sechs Jahre. So lange müsse aber niemand warten, um das Wort Gottes zu verkünden, sagt Laurent Bazie, der stellvertretende Leiter. Ein einziger Besuch reiche aus. Vieles lerne man außerdem bei der praktischen Arbeit.
Da Großveranstaltungen in Stadien seit der Pandemie gestrichen wurden, sind abendliche Gebetskreise und persönliche Gespräche wichtiger denn je. Dafür ziehen die Mitglieder von Buisson Ardent allerdings nur noch in Ausnahmefällen durch die Straßen, obwohl das Phänomen der Straßenprediger auch in Ouagadougou zugenommen hat. Vor einigen Wochen war nach Informationen von Radio France Internationale
(RFI) sogar ein Gesetzesvorschlag im Gespräch, der Straßenpredigten einschränkt. Seit dem Putsch vom 30. September und der schlechten Sicherheitslage haben allerdings andere Themen Priorität. Mathieu Sawadogo will sich von der Evangelisierung nicht abhalten lassen. Es sei doch «der Wunsch eines jeden Christen sein, die Frohe Botschaft zu verkünden».