Von Notz ordnet Kreuzentfernung bei G7-Treffen ein

"Die Geschichte mit dem Kreuz in Münster ist kompliziert"

Vor 40 Jahren legten die Grünen den Grundstein für die Teilnahme an der Bundestagswahl. Inzwischen sind sie an der Regierung beteiligt. Durch ein abgehängtes Kreuz stellt sich nun die Frage, wie die Partei Kirche und Staat sieht.

Konstantin von Notz / © Christoph Soeder (dpa)
Konstantin von Notz / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Zum Abschluss ihres Parteitreffens am 14. November 1982 beschließen die Grünen, sich an der Bundestagswahl zu beteiligen. Die Grünen stehen offenbar für die Trennung von Kirche und Staat in voller Konsequenz. Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat bei der Vereidigung die Gottesformel nicht gesprochen und hat jüngst bei ihrem G7-Treffen mit Amtskollegen aus dem Ausland in Münster das Ratskreuz abgehängt. Das hing seit 350 Jahren im historischen Rathaus. Wie finden Sie so etwas?

Logo der Grünen / © David Young (dpa)
Logo der Grünen / © David Young ( dpa )

Konstantin von Notz (Religionspolitischer Sprecher der Grünen): Also, ich teile diese Analyse erst mal nicht. Zum einen sind wir nicht für die strikte Trennung von Kirche und Staat, also für die Laizität wie in Frankreich, sondern es gibt von unserer Partei ein ganz klares Bekenntnis zu diesem kooperativen Modell, das die deutsche Verfassung vorgibt und das meiner Ansicht nach ein sehr erfolgreiches ist.

Die Geschichte mit dem Kreuz in Münster ist kompliziert. Das ist protokollarisch rausgenommen worden, weil da eben auch Leute wie Präsident Macron teilnehmen, der aus einem Land kommt, in dem in öffentlichen Gebäuden Kreuze sozusagen nichts zu suchen haben. Da kann man jetzt lange drüber streiten, ob man das richtig oder falsch findet. Es ist auf jeden Fall so, dass die Religionsfreiheit gilt und dass dieses kooperative Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland sehr erfolgreich ist.

Ein Kreuz steht im Friedenssaal im Historischen Rathaus in Münster / © Guido Kirchner (dpa)
Ein Kreuz steht im Friedenssaal im Historischen Rathaus in Münster / © Guido Kirchner ( dpa )

Wenn man mal ganz genau hinguckt und sich anschaut, was für eine klare Rolle die Kirchen im Bereich des Klimaschutzes, bei der Flüchtlingsdiskussion und Migrationspolitik sowie beim Umweltschutz insgesamt spielen, dann, glaube ich, kann man sehr gut sehen, dass es gerade zwischen Menschen, die einen religiös geprägten Blick auf die Welt haben und ihre Religion frei praktizieren wollen und dem Verständnis der Grünen, dass im Mittelpunkt unserer Politik der Mensch mit seiner Würde und Freiheit steht, große Schnittmengen gibt.

DOMRADIO.DE: Was dachten Sie denn persönlich, als Sie davon mitbekommen haben? Dürfen wir oder dürfen wir nicht zu unseren christlichen Wurzeln stehen?

Konstantin von Notz (Religionspolitischer Sprecher der Grünen)

"Wir sind eine plurale Gesellschaft und das bedeutet, dass Religion natürlich ihren Platz hat und auch in der Öffentlichkeit ihren Platz hat."

von Notz: Ja, natürlich stehen wir zu unseren christlichen Wurzeln. Aber wir haben eben nicht nur christliche Wurzeln, wir haben auch humanistische Wurzeln. Es gibt inzwischen Menschen, die mit sehr unterschiedlichen Prägungen nach Deutschland kommen, religiösen und nicht religiösen. Wir sind eine plurale Gesellschaft und das bedeutet, dass Religion natürlich ihren Platz hat und auch in der Öffentlichkeit ihren Platz hat. Das bedeutet, dass es im Deutschen Bundestag einen Gebets- und Andachtsraum gibt und dass man, wenn man will, vor der Konstituierung des Deutschen Bundestages in einen Gottesdienst gehen kann.

Aber es heißt eben auch, dass Menschen, die nicht religiös sind, auch voll akzeptiert sind und mit ihrer Überzeugung hier frei und offen leben können. Deswegen geht es sozusagen nur mit Pluralität und Toleranz. Ich glaube - ich selbst bin ja ein frommer Mensch -, dass Jesus Christus genau das vorgelebt hat. Insofern, glaube ich, ist das ein sehr guter Ansatz, um ein friedliches und gutes Miteinander in einer offenen und pluralen Gesellschaft zu haben.

DOMRADIO.DE: Ihre Partei ist in den 40 Jahren gewachsen. Bei der Sonntagsfrage vor einer Woche sind die Grünen in der Wählergunst auf den tiefsten Stand seit April gefallen. Am Freitag im Politbarometer vom ZDF konnten sie sich immerhin um einen Punkt auf 22 Prozent wieder verbessern. Die Wirtschaft ist in der Krise, mit ihr der Wirtschaftsminister. Müssen Sie sich mittelfristig mit den schlechteren Umfragewerten abfinden?

von Notz: Vor einem Jahr bei der Bundestagswahl haben wir 14,8 Prozent gemacht. Obwohl Deutschland im Augenblick in der schwersten wirtschaftlichen Krise seit seiner Gründung ist und vor enormen Herausforderungen steht und gerade Robert Habeck und Annalena Baerbock den Karren ganz entscheidend mit ziehen, stehen wir deutlich besser da als bei der Bundestagswahl. Insofern gebe ich auf diese Zahlen wenig.

Ich stelle fest, dass an der Spitze der beliebtesten Politikerinnen und Politiker dieses Landes zahlreiche Grüne ganz vorne stehen. Ich kann nur sagen, es ist nicht die Zeit, über Umfragewerte zu diskutieren. Wir müssen gut durch diesen Winter kommen. Es gibt Krieg in Europa. Putin führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Wir haben es mit China zu tun, die nach starkem Einfluss hier in Europa und auch in Deutschland suchen und gleichzeitig Taiwan militärisch bedrohen.

Das sind die Herausforderungen und gleichzeitig müssen wir den Klimawandel bekämpfen. Da hilft es überhaupt nicht, auf Umfragewerte zu schielen, sondern eine gerade und gute Politik zu machen. Das ist eine Herausforderung. Wir versuchen das in der Ampel, so gut es irgendwie geht.

Wir leben ja in einer tollen Demokratie. In drei Jahren wird gewählt und dann werden die Menschen sich ein Bild machen, wer hier wie gut gearbeitet hat und wer gute Konzepte für die Zukunft hat. Ich habe großes Vertrauen in diese Entscheidung.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR