DOMRADIO.DE: Die Stellungnahme ist aus der "KirchenVolksKonferenz" im September hervorgegangen, die über 30 Organisationen unterschrieben haben. Welches Spektrum decken diese Organisationen ab?
Prof. Agnes Wuckelt (Stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands / kfd): Zum einen sind das natürlich die anderen katholischen Frauenverbände und weitere Fraueninitiativen. Außerdem sind mehrere Berufsverbände dabei - wie der der Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen sowie der der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten.
Es sind weiter Zusammenschlüsse von Priestern, die nach vorne schauen wollen, und die Leserinitiative von Publik Forum. Es ist das Katholische LSBT plus Komitee und die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) und noch einige mehr. Es ist also ein breites Spektrum, das sich da zusammengefügt hat.
DOMRADIO.DE: Die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen erwarten gemeinsam vom Vatikan "ein eindeutiges Zeichen der Würdigung des deutschen Synodalen Weges". Wie könnte ein solches Zeichen aussehen?
Wuckelt: Eigentlich wäre es ganz einfach. Der Papst sagt immer: "Gut zuhören und nicht gleich reden!" Also bräuchte es ein unvoreingenommenes Zuhören in den drei Stunden, die die Bischöfe Zeit haben, den Vorsitzenden der Dikasterien - also der Ministerien im Vatikan - den Synodalen Weg zu erläutern. Ich glaube, wenn diese Vatikanvertreter einfach vorurteilsfrei hinhören würden, könnten sie schon wahrnehmen, dass wir die theologische Diskussion anregen wollen. Dass wir Ideen haben, die wir vorstellen, ohne sie jetzt sofort umzusetzen. Genau das ist ja die große Angst des Vatikan.
DOMRADIO.DE: Bisher gab es aus dem Vatikan zum deutschen Synodalen Weg eher distanzierte Rückmeldungen. Da klangen immer Warnungen vor einem deutschen Sonderweg an. Sind diese permanenten Verweise auf die Weltkirche in Ihren Augen Totschlagargumente?
Wuckelt: Es wurde zumindest versucht. Aber zum einen ist auch Deutschland Teil der Weltkirche, nicht ein Gegenüber von Weltkirche. Zum anderen ist da das gerade herausgekommene Arbeitsdokument der Weltsynode, in dem zusammengefasst steht, was sich die Menschen in vielen, ja fast allen Teilen der katholischen Welt im Bereich der Synodalität wünschen. Darin finden sich genau die Punkte wieder, die wir in Deutschland schon seit drei Jahren diskutieren.
Ich glaube, hinter dem vatikanischen Einwand, die Weltkirche solle gemeinsam entscheiden, steckt eigentlich, dass wir Deutschen sehr früh in die Offensive gegangen sind. Wir haben sehr früh auch eine Struktur gefunden, die der Vatikan nicht gewürdigt hat, weil sie sich nicht so genau an das Kirchenrecht hält.
Das große Problem für Rom scheint mir, dass wir bei unserem Synodalen Weg auch als Laien mitentscheiden, und das ist im Kirchenrecht einfach nicht vorgesehen. Von daher ist da ein großer Vorbehalt nach dem Motto: "Das kann doch nicht sein, dass ganz normale Christen und Christinnen Entscheidungen für ihre Kirche treffen!"
DOMRADIO.DE: Als kfd sind Ihnen vor allem auch Geschlechtergerechtigkeit und die Öffnung der Weiheämter für Frauen wichtig. Da stoßen Sie schon bei den deutschen Bischöfen auf sehr unterschiedliche Reaktionen. Im Vatikan, so scheint es, beißen Sie auf Granit. Was erhoffen Sie sich dennoch von einer solchen Stellungnahme?
Wuckelt: Sie schildern das genauso, wie es ist und damit werden wir uns auch näher beschäftigen müssen. Aber ich verweise noch einmal auf das Arbeitsdokument zur Weltsynode, das seit ein paar Tagen auch auf Deutsch vorliegt. Dort gibt es ein großes Kapitel, das heißt "Die Beteiligung der Frauen neu überdenken". Darin werden unsere Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit bis hin zu Frauenweihen genauso in vielen anderen Ländern auch gestellt. In Israel zum Beispiel, in Korea, Südafrika, den USA, Neuseeland und Brasilien, um nur einige zu nennen.
Das bedeutet, dass die Stellung der Frau in der katholischen Kirche sehr wohl weltweit bedacht wird und dass Frauen weltweit darauf aufmerksam machen, dass sie in dieser Kirche nichts zu melden haben, dass nur Männer Entscheidungen treffen.
Wenn das in Rom jetzt wirklich wahr- und aufgenommen wird, können die Verantwortlichen nicht mehr einfach behaupten, dass wir Deutschen wieder einen Sonderweg gehen oder gar eine Reformation anstreben. Das stimmt einfach nicht! Das heißt, wir werden uns mit den unterschiedlichen Kirchen der Weltkirche zusammentun und ähnliche Formulierungen zum Ausdruck bringen.
DOMRADIO.DE: Ein zentraler Punkt ist die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt durch Kirchenleute. Das wissen wir in Deutschland schon seit vielen Jahren. Inwieweit erwarten Sie sich denn von dem Bischofsbesuch in Rom auch Klärung in der Frage in der Personalie Woelki?
Wuckelt: Das ist ganz schwierig. Wir haben ja gerade gesagt, dass der Vatikan überaus kritisch auf das schaut, was in Deutschland passiert. Da hoffen sicherlich einige römische Kräfte auf die deutschen Bischöfe, die an der bisherigen Lehre der Kirche festhalten und keinerlei Veränderung für möglich halten.
Kardinal Woelki ist, denke ich, Wortführer dieser Gruppe. Das macht es in meinen Augen für Rom ganz schwer, eine Personalentscheidung zu treffen, bei der ausgerechnet derjenige, der hier in Deutschland vatikanische Interessen hochhält, seines Amtes enthoben würde.
Also ist es ein Politikum und ich glaube, dass sich bei dem Besuch jetzt ganz bestimmt nichts in dieser Frage tun wird. Vielleicht, aber auch da kann ich nur spekulieren, könnte sich nach dem Besuch etwas tun. Wenn nämlich dieser Besuch vielleicht doch dazu führte, dass die Gesprächspartner im Vatikan merken, dass wir in Deutschland ein Gesprächsangebot machen, dass wir theologische Argumente in die Diskussion bringen und dass wir die deutsche Kirche noch längst nicht auf den Kopf gestellt haben, wie sie befürchten.
Aber wie gesagt, es wird schwierig. Ich glaube, der Vatikan sieht Kardinal Woelki als Garanten dafür, dass Deutschland aus Sicht des kirchlichen katholischen Lehramtes noch nicht ganz verloren ist.
Das Interview führte Elena Hong.