Nach der Vorstellung einer Missbrauchsstudie hat der Münsteraner Bischof Felix Genn dem früheren Generalvikar Werner Thissen (83) den Titel als Ehrendomkapitular in Münster entzogen. Der Geistliche, der auch Erzbischof von Hamburg war, habe als Generalvikar und Weihbischof im Bistum Münster "schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht", teilte Genn am Freitag mit.
"Dieser Schritt erfolgte nicht zuletzt auch aufgrund einer Initiative von Betroffenenseite." Ab 1986 war Thissen Generalvikar und ab 1999 Weihbischof im Bistum Münster; von 2003 bis 2014 leitete er das Erzbistum Hamburg als Erzbischof.
Bistum überprüfte erneut vier Fälle
Genn hatte den Schritt bereits im Juni nach der Vorstellung einer Missbrauchsstudie der Universität Münster in Aussicht gestellt. Die Untersuchung zählt 196 Beschuldigte zwischen 1945 und 2020 sowie 610 Betroffene. Die Wissenschaftler werfen den Vorgängern Genns vor, für eine "klerikale Vertuschungsgeschichte" verantwortlich zu sein. Auch Thissen wird in der Studie kritisch erwähnt.
Das Bistum überprüfte zudem erneut vier Fälle wegen möglicher Fehler im Verfahren. Eines der Verfahren sei nach Prüfung in Rom eingestellt worden, weil sich kein konkreter Vorwurf habe feststellen lassen, erklärte Genn. Ein zweites Verfahren werde derzeit noch im Bistum überprüft und anschließend an Rom weitergeleitet. Über die Abgabe nach Rom werde in einem dritten Fall aus dem Jahr 1974 derzeit beraten. Der Beschuldigte sei 85 Jahre alt und übe keine priesterlichen Dienste mehr aus. Ein vierter Fall werde vollständig einer Prüfung durch einen externen Kirchenrechtler unterzogen.
Kritik am Bistum Münster
Genn hatte nach Vorstellung der Studie ein breites Maßnahmenpaket gegen Missbrauch und Machtmissbrauch angekündigt. So lässt er unter anderem prüfen, ob sein Bistum eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit einführt, noch bevor es hierzu Festlegungen aus Rom und von der Bischofskonferenz gibt. Zudem wolle er Macht abgeben und sich an Entscheidungen diözesaner Gremien binden.
Zuletzt kam wegen eines Berichts des "Westfälischen Anzeigers" (Freitag) Kritik am Bistum Münster auf. Der Diözese seien seit 2019 Vorwürfe gegen einen 2004 verstorbenen Priester bekannt gewesen; die Pfarrei aber sei nicht informiert worden. Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, begründete dies laut Zeitung unter anderem mit fehlenden Personalressourcen und einer Vielzahl von Fällen.