DOMRADIO.DE: Wird die Grundordnung des kirchlichen Dienstes auch fürs Erzbistum umgesetzt?
Guido Assmann (Generalvikar im Erzbistum Köln und Dompropst): Ja! Als Kardinal Woelki von der entsprechenden Konferenz mit den anderen Bischöfen zurückkam, hat er sofort in Köln gesagt, dass er das selbstverständlich umsetzen wird. Das hat er mir gestern Morgen auch bestätigt.
DOMRADIO.DE: Wann wird das passieren?
Assmann: Die Bischofskonferenz kann ja nicht Recht setzen für jedes einzelne Bistum. Das ist also ein normales Verfahren, dass jetzt jeder Bischof für sein Bistum eine eigene Entscheidung fällt. Das muss dann in eine Rechtsform gesetzt werden, also im Amtsblatt veröffentlicht werden. Ich gehe davon aus, dass die Umsetzung nicht zu lange dauern wird, aber ein paar Wochen wird es sicher dann noch dauern.
DOMRADIO.DE: Den Stein ins Rollen gebracht hatte im Frühjahr dieses Jahres die ARD Dokumentation #OutInChurch. Da haben über 100 queere Mitarbeitende aus dem kirchlichen Dienst auch von ihrer Angst erzählt, in der sie immer gelebt haben. Warum, Herr Generalvikar, brauchte es erst einen Film und das Manifest, bis die Kirche dieses Thema ernsthaft angepackt hat?
Assmann: Sicherlich war das mit ein Auslöser, jetzt noch mal neu auf die Grundordnung zu schauen, so wie ich das wahrnehme. Die Grundordnung ist allerdings immer wieder, zuletzt vor sieben Jahren, überprüft worden: Gibt sie die Grundgedanken der katholischen Kirche wieder? Was ist uns da ganz wichtig an dieser Grundordnung?
Die Grundidee ist ja eigentlich eine sehr positive, nämlich zu sagen: Jeder, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, egal in welcher Aufgabe, Position, ist von Jesus berufen, in seinem Dienst zu sein, und dass wir das als Dienstgemeinschaft tun und das möglichst gut gemeinschaftlich. Das sollte in einer sozusagen gemeinsamen "Grundhaltung" festgehalten werden um das gemeinsam zu leben, auch am Arbeitsplatz. Es soll nicht getrennt werden, so in etwa: "Ich bin zu Hause katholisch und am Arbeitsplatz nicht" oder umgekehrt.
Die Auslegung war bisher so, dass man die einzelne Person und die Persönlichkeit gesehen hat. Das ist im Grunde auch nicht ganz schlecht, aber das hat dann zu Formen geführt, die manchen Menschen wehgetan hat oder die in der heutigen Gesellschaft so nicht anerkannt oder mitgetragen wird.
Die Änderung jetzt in der Sichtweise der Grundordnung ist, dass man nicht auf die einzelne Person schaut, wie sie sich dann einbringt in den Dienst, egal an welcher Stelle sie einen Dienst tut in der Kirche. Jetzt ist die Frage: wie kann diese Gemeinschaft, die dort zusammen arbeitet, den katholischen Gedanken "Hier ist ein Ort von Kirche", wo Menschen wissen, hier wird katholischer Glaube gelebt, also die Nächstenliebe gelebt, gelingen? Das ist jetzt eine andere Sichtweise: Wie kann das als Gemeinschaft gut gelingen und es wird jetzt weniger auf den Einzelnen persönlich geschaut.
DOMRADIO.DE: Ich muss da aber noch mal einhaken, also dieses besondere Exklusive im kirchlichen Arbeitsrecht, hat das die katholische Kirche jetzt aufgegeben?
Assmann: Nein, auf keinen Fall. Denn die Grundüberzeugung sollte ja sein, dass sich beispielsweise ein katholischer Kindergarten in der Gesellschaft schon als katholischer Kindergarten darstellt.
Und jetzt wird man etwas anders drauf schauen: Wie kann es gelingen, dass Eltern, die ihr Kind hier anmelden, sehen, dass neben einer guten pädagogischen Arbeit hier der katholische Glaube gelebt und bezeugt wird - mit all den Werten, das bedeutet sich Gott in den Dienst zu stellen, und die Mitmenschen, die Würde eines jeden Menschen zu sehen und danach zu handeln.
Das ist ja eine christliche Grundhaltung für uns. Da ist die Frage: Wie kann das nun gemeinsam gelingen? Da wird sicherlich auch vielleicht eine andere Führungskultur notwendig sein, um sich dieses Grundgedankens in der Gemeinschaft aller, die dort Dienst tun, auch gemeinsam zu vergewissern.
DOMRADIO.DE: Einen Kündigungsgrund gibt es nach wie vor, wenn jemand aus der Kirche austritt. Die Caritas hat das bei uns im Interview gestern kritisiert. Schließlich kann eine Hebamme zum Beispiel weiterhin einen guten Job in einem katholischen Krankenhaus machen, auch wenn sie aus der Kirche austritt. Wie sehen Sie das?
Assmann: Ein Austritt ist ja auch eine öffentliche Haltung, denn man erklärt seinen Austritt dem Staat gegenüber und damit auch der kirchlichen Gemeinschaft. Man sagt dann: "Ich möchte mit dieser Gemeinschaft nichts zu tun haben." Man entzieht also dieser Gemeinschaft sein Vertrauen. Das ist ja zunächst mal gar nicht unbedingt eine Glaubens-Aussage, das kann es sein, muss aber nicht.
Das ist dann schon eine schwere Belastung, um den gemeinsamen Auftrag als christliche Einrichtung, als katholische Einrichtung auch wahrgenommen zu werden, zu erfüllen. Es ist dann schon etwas anderes, als wenn jemand von seiner Erziehung, von seiner Lebensentwicklung her einer anderen Konfession angehört oder nie bisher mit der Kirche in Kontakt gekommen ist, weil die Person in ihrem Lebensumfeld nie Christen kennengelernt hat.
Das Interview führte Tobias Fricke.