DOMRADIO.DE: Bekommen Sie denn mit, dass es die erste Adventswoche ist, wenn Sie durch Jerusalem laufen?
Pater Matthias Karl (Benediktiner in der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Ja, man bekommt mit, dass Weihnachten naht, dass der Advent begonnen hat. Es ist natürlich nicht wie in Deutschland alles groß dekoriert. Aber es gibt christliche Geschäfte, die durchaus Weihnachtsdeko haben und jetzt auch die entsprechenden Produkte anbieten, also die Nikoläuse und Schokopralinen in weihnachtlichem Papier eingepackt.
Es stehen auch die großen Weihnachtsmänner überall herum. Leider macht man auch hier keinen Unterschied zwischen Weihnachtsmann und Nikolaus, sondern der rot-weiße Coca-Cola-Weihnachtsmann aus Amerika ist auch hier eingezogen. Also man merkt es. Aber man merkt es auch in den Kirchen. Die Pfarreien bieten auch hier besondere Andachten an, die religiösen Gemeinschaften, auch die Ortskirche, bieten Abende mit adventlicher Meditation. Und es gibt tatsächlich auch Konzerte von den verschiedenen Chören, auch mit adventlichen und auch mit deutschen Liedern.
DOMRADIO.DE: Vor einem Jahr hatte sich Israel wegen der Pandemie gegen Touristen abgeschottet. Wird darüber heute noch geredet oder ist das vergessen?
Pater Matthias: Vergessen vielleicht nicht, aber auf jeden Fall verdrängt. Man weiß eigentlich, dass die Pandemie noch nicht ganz vorbei ist, aber wir tun so, als gäbe es die Pandemie nicht mehr. Letztendlich leben wir hier auch wissend, dass das Virus hoffentlich beherrschbar ist. Wir haben die Grenzen offen, wir haben auch sehr viele Touristen und Pilger im Land. Und so wird auch dieses Weihnachtsfest sicherlich mit vielen Leuten aus der ganzen Welt gefeiert werden.
DOMRADIO.DE: Wie fühlt es sich für Sie und für die Pilgerinnen und Pilger an, Weihnachten in Jerusalem zu feiern – im Vergleich zur deutschen Weihnacht?
Pater Matthias: Das ist ein viel wesentlicheres Erlebnis des Festgeheimnisses, wenn man es hier im Heiligen Land feiert. Weil die ganze Umgebung uns nicht einfach nur oberflächlich Weihnachten überstülpt, sondern eigentlich nicht weihnachtlich ist. Wir sind als Christen hier im Heiligen Land ja eine kleine Minderheit und das ist auch spürbar. Wenn man durchs Land reist, ist nicht das ganze Land in Weihnachtsstimmung, sondern das sind eben die christlichen Dörfer und Kleinstädte und natürlich vor allem Bethlehem.
Aber auch Jerusalem, mehrheitlich jüdisch und muslimisch bewohnt, hat nur in den christlichen Vierteln quasi dieses Weihnachts-Feeling, auch äußerlich. Das heißt, wer in diesen Tagen vor Weihnachten hierherkommt, wird vor allem auf das Festgeheimnis als solches aufmerksam gemacht, indem er sich quasi selbst dorthin denken muss und ganz bewusst zu den Feiern geht. Es ist ein Geschenk, es auch einmal so zu erleben.
DOMRADIO.DE: Jahr für Jahr gibt es bei Ihnen eine besondere Weihnachtsaktion: Sie pilgern in der Heiligen Nacht von der Abtei zu Fuß nach Bethlehem und tragen Namen dorthin. Wessen Namen?
Pater Matthias: Wir laden einfach ein, uns Namen oder Gebetsanliegen zu schreiben von Menschen, die einem am Herzen liegen. Und all diese Namen schreiben wir – heute natürlich mit Computer in einer Excel-Datei – auf eine lange Rolle. Es waren im letzten Jahr über 70.000 Namen, die wir so gesammelt haben und hinter jedem Namen steht ja ein konkreter Mensch, auch mit besonderen Anliegen. Und diese Rolle mit den Namen, Menschen, Gebetsanliegen tragen wir in der Heiligen Nacht nach der Feier der Christmette in der Dormitio zu Fuß nach Bethlehem.
Das ist eine Wanderung von gut zwei Stunden. Dann gehen wir mit der Rolle hinunter in die Geburtsgrotte der Geburtsbasilika und legen all diese Namen, Menschen und Gebetsanliegen auf den bekannten Stern, der den Ort der Geburt Jesu Christi markiert und beten dann dort auch. Vor der Pandemie waren wir über 200 Pilgerinnen und Pilger, die von Jerusalem mitten in der Heiligen Nacht nach Bethlehem gegangen sind und auch diese Menschen und Gebetsanliegen mitgetragen haben. Wir freuen uns, wenn uns auch in diesem Jahr wieder viele Namen schreiben und durchaus auch die Gebetsanliegen mitschicken.
Das Interview führte Tobias Fricke.
Sie möchten einen Namen oder ein Gebetsanliegen nach Jerusalem schicken? Dann schreiben Sie einfach eine E-Mail an: weihnachtsaktion@dormitio.net