Bischof kritisiert "romantisches" Russland-Bild des Papstes

"Der Papst konnte es einfach nicht glauben"

Kiews griechisch-katholischer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hat nach eigenen Worten offen mit Papst Franziskus über ukrainische Kritik an ihm gesprochen. Dabei ging es auch um einen russischen Schriftsteller und um eine Bitte.

Swjatoslaw Schewtschuk / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Swjatoslaw Schewtschuk / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Er habe Franziskus Anfang November gefragt, ob er wisse, was man in der Ukraine über ihn sage, berichtete Schewtschuk in einem Interview. "Er fragte: 'Was?' - Ich antwortete: 'Dass Sie Dostojewski nicht richtig gelesen haben.'"

Vergleich mit Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg

Franziskus hatte vor knapp einem Monat gesagt, er schätze das russische Volk und den russischen Humanismus. "Denken Sie nur an Dostojewski, der uns bis heute inspiriert, der Christen inspiriert, christlich zu denken", so der Papst. Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski (1821-1881) war Anhänger der orthodoxen Kirche. Kritiker werfen ihm antiwestliche Ressentiments vor.

Papst Franziskus und der Großerzbischof von Kiew-Halytsch, Swjatoslav Schewtschuk (2016) / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus und der Großerzbischof von Kiew-Halytsch, Swjatoslav Schewtschuk (2016) / © Osservatore Romano ( KNA )

Er habe dem Papst gesagt, so Schewtschuk, "dass mich das an gewisse romantische Vorstellungen von Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg erinnert". Wenn jemand das Wort "Deutschland" höre, stelle er sich die deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts vor. Doch die Nazis seien in Deutschland an die Macht gekommen; und dann wundere sich die ganze Welt, wie ein solches Volk mit einer so hohen Kultur Auschwitz geschaffen und den Holocaust begangen habe. "Das Gleiche geschieht leider auch in Russland", so das Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Die ganze Welt sei heute Zeuge des Völkermords an den Ukrainern.

Bitte um Geste des Mitgefühls

"Wir sehen diese Massengräber. Und der Papst konnte einfach nicht glauben, dass solche vermeintlichen Vorbilder des Humanismus solche Verbrechen begehen können", so Schewtschuk. Er habe den Papst um "eine Geste, ein Wort des Trostes, des Mitgefühls" gebeten: "Heiliger Vater, schreiben Sie einen Brief an die Ukrainer. Und er hat ihn geschrieben."

In dem Brief betonte Franziskus Ende November angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine: "Euer Schmerz ist mein Schmerz." Er wolle seine Tränen mit denen der ukrainischen Bevölkerung verbinden und ihr sagen, "dass es keinen Tag gibt, an dem ich euch nicht nahe bin und euch nicht in meinem Herzen und in meinem Gebet trage".

Katholische Kirche in der Ukraine

Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine ist die größte katholische Ostkirche. Zu ihr bekennen sich nach Angaben des Vatikan weltweit rund 4,5 Millionen Christen. In der mehrheitlich orthodoxen Ukraine ist etwa jeder zehnte Einwohner griechisch-katholisch. Ihr Oberhaupt ist Großerzbischof von Kiew-Halytsch, Swjatoslaw Schewtschuk (49). Wesentlich kleiner ist mit rund einer Million Mitgliedern die römisch-katholische Kirche in der Ukraine. (KNA/2.9.19)

Eine Fahne der Ukraine weht im Wind bei der Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine / © Paul Zinken (dpa)
Eine Fahne der Ukraine weht im Wind bei der Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
KNA