Senior Experten Service wird 40 Jahre alt

Rentner helfen international

Ob Bolivien, Mexiko oder Deutschland: Berufserfahrene Senioren stellen ihr Können zur Verfügung, um Betrieben in Entwicklungsländern zu helfen. Seit 40 Jahren organisiert der Senior Experten Service den Wissenstransfer.

Autor/in:
Christoph Arens
Rentner im Arbeitseinsatz / © anon_tae (shutterstock)

Nein, sie gehören nicht zum alten Eisen. Sie krempeln die Ärmel hoch, statt sich den Ruhestand mit Reisen, Lesen und Faulenzen zu vertreiben. Während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine soziale Pflichtzeit fordert, haben sie längst geliefert.

Seit bald 40 Jahren vermittelt der in Bonn ansässige Senior Experten Service (SES) Expertinnen und Experten im Ruhestand an kleine und mittlere Unternehmen, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Know-how-Transfer weltweit.

Fachleute aus etwa 50 Branchen

Mehr als 36.000 internationale Einsätze stehen in den Büchern des SES. Rund um den Globus geben berufserfahrene Bundesbürger aus Handwerk und Technik, Handel und Industrie, Verwaltung und Wissenschaft ihr Fachwissen weiter. Besonders hoch ist die Nachfrage nach Fachleuten aus Handwerk und Gesundheitswesen.

Derzeit sind mehr als 12.500 Expertinnen und Experten in der SES-Datenbank registriert. "Unsere Fachleute kommen aus etwa 50 Branchen und 500 einzelnen Berufen", sagt Geschäftsführer Michael Blank, der den von den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft getragenen SES seit April 2021 leitet.

Michael Blank / © Christoph Arens (KNA)
Michael Blank / © Christoph Arens ( KNA )

"Zukunft braucht Erfahrung", lautet ein Credo des SES: Da unterstützt ein früherer Auto-Ingenieur sechs Wochen lang einen brasilianischen Familienbetrieb. Da begleitet eine Friseurin in Rente über zwei Jahre eine Auszubildende als Mentorin. Senior-Experten engagieren sich nämlich nicht nur im Ausland, sie unterstützen auch Auszubildende, Schüler und Flüchtlinge innerhalb der Bundesrepublik.

Das Ziel: Ausbildungsabbrüche verhindern, Lernmotivation schaffen und Integration erleichtern. Mehr als 24.500 Inlandseinsätze wurden bislang durchgeführt. Blank, der in einer alten Villa beim Bonner Regierungsviertel residiert und selbst als Leiter der Delegationen der Deutschen Wirtschaft in Ghana und Nigeria und bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York Auslandserfahrungen gesammelt hat, blickt auf zwei schwierige Jahre zurück. Erst Corona und dann auch noch der Ukrainekrieg - "die Weltlage hat dem SES nicht gerade in die Hände gespielt", analysiert der 60-jährige Betriebswirt.

Senior mit einem Smartphone / © Liderina (shutterstock)
Senior mit einem Smartphone / © Liderina ( shutterstock )

Betrug die Zahl der Auslandseinsätze 2019 noch mehr als 2.200, sank sie 2021 wegen der Pandemie auf 201. Auch die Inlandseinsätze verringerten sich von 5.500 im Jahr 2019 auf 3.900 im laufenden Jahr.

Auch die finanziellen Spielräume sind angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes kleiner geworden. Für 2023 rechnet Blank mit rund 10 Millionen Euro an Haushaltsmitteln aus dem Entwicklungs- und dem Bundesbildungsministerium.

Programm zur Begleitung zugewanderter Fachkräfte

Neue Projekte hat der SES trotzdem: Seit 2017 entsendet er im Rahmen seines "Weltdienst 30+" auch Berufstätige aus der mittleren Generation ins Ausland, die eine berufliche Auszeit mit ehrenamtlichem Engagement verbinden wollen. Seit 2021 ist der SES auch Partner des Deutsch-Afrikanischen Jugendwerks: Er ermöglicht es jungen Fachkräften aus Afrika, eine Hospitanz in Deutschland zu machen - und umgekehrt jungen Fachkräften aus Deutschland, an Afrikaeinsätzen der ehrenamtlichen Fachkräfte teilzunehmen.

Symbolbild Ausbildung im Handwerk / © VanoVasaio (shutterstock)
Symbolbild Ausbildung im Handwerk / © VanoVasaio ( shutterstock )

Und Blank sieht noch weitere Einsatzfelder für die ehrenamtlichen Senioren. Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland plant der Geschäftsführer ein Programm zur Begleitung zugewanderter Fachkräfte.

Erfahrene Mentoren könnten etwa Pflegekräften von den Philippinen oder aus Chile beim Eingewöhnen und der Integration in Deutschland helfen: "Damit sie nicht gleich frustriert die Koffer packen", sagt er.

Angedacht ist auch, das angesammelte interkulturelle Wissen des SES weiterzugeben: Im Rahmen einer SES-Akademie könnten deutsche Firmen, die etwa in Asien oder Afrika investieren wollen, ihre Mitarbeiter schulen lassen. "Da gibt es viele mögliche Fettnäpfchen, in die man nicht treten sollte."

Insgesamt sieht der Geschäftsführer positiv in die Zukunft. Der Wunsch nach ehrenamtlichem Engagement sei größer als das Angebot, glaubt er. Die Generation der Babyboomer suche nach sinnvoller Beschäftigung für den Ruhestand. Er selbst habe sein Bild vom Alter durch seine Tätigkeit im SES "total verändert", sagt er. "Die heutigen Alten sind sehr jung und sehr aktiv." Viele wollten der Gesellschaft auch etwas zurückgeben.

Senior Experten Service (SES)

Im Senior Experten Service (SES) unterstützten Senioren im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit weltweit soziale Einrichtungen und kleine Firmen freiwillig und ehrenamtlich. Die Organisation wurde 1983 mit Unterstützung der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung gegründet. Seitdem haben Senior-Experten rund 60.000 Einsätze in 160 Ländern durchgeführt. Damit gehört der SES zu den größten dieser Art in der Europäischen Union.

Rentner bei Malerarbeiten / © Jan Woitas (dpa)
Rentner bei Malerarbeiten / © Jan Woitas ( dpa )
Quelle:
KNA