El Salvadors Kampf gegen die Bandenkriminalität

Massenverhaftungen und Ausnahmezustand

Von einem prominenten Kirchenvertreter bekommt Präsident Bukele derzeit Rückendeckung. Menschenrechtsvertreter aber sehen in El Salvadors Bekämpfung der Kriminalität eine Gefahr für den Rechtsstaat.

Autor/in:
Tobias Käufer
 © Salvador Melendez/AP (dpa)
© Salvador Melendez/AP ( dpa )

Stimmt die Umfrage, die das Portal "Ultima Hora" am Montag veröffentlichte, dann ist Nayib Bukele derzeit der populärste Präsident Lateinamerikas. Basierend auf einer Umfrage von "Datoworld" liegt die Zustimmungsrate für das Staatsoberhaupt El Salvadors bei 87 Prozent. Bukeles Popularität überrascht angesichts der scharfen Kritik von renommierten Menschenrechtsverteidigern wie Human Rights Watch oder Amnesty International wegen seines Kurses gegen die Bandenkriminalität. Doch der überwiegende Teil der salvadorianischen Bevölkerung begrüßt offenbar die harte Hand des 41-Jährigen.

Kirche Lateinamerikas in Zahlen

Lateinamerika heißt auch der "katholische Kontinent". Mehr als 537 Millionen und damit über 40 Prozent aller getauften Katholiken leben in dieser Weltregion, die maßgeblich durch vier Jahrhunderte spanischer und portugiesischer Kolonialgeschichte geprägt ist. Rund 86 Prozent der Menschen in Lateinamerika sind laut statistischen Angaben des Vatikan katholisch.

 (DR)

Seit dem Wochenende blickt auch die internationale Öffentlichkeit wieder auf El Salvador. Bukele hat die fünfte Stufe seines Sicherheitsplans gezündet: "Soyapango ist total umzingelt", teilte er mit. Damit ist gemeint, dass rund 10.000 Soldaten und Polizisten die etwa 285.000 Einwohner zählende Kommune aus der Metropolregion eingekreist haben und nun gezielt nach den letzten noch auf freien Fuß befindlichen Mitgliedern der gefürchteten Mara-Banden suchen.

Kein Krimineller, so lautet der Plan der Regierung, soll weiter auf freiem Fuß bleiben. "Wir haben zwölf Terroristen lokalisiert", erklärte Justiz- und Sicherheitsminister Gustavo Villatoro.

Mara-Banden als Problem

Meldungen, die bei der Bevölkerung gut ankommen - denn viele sehen in den Mara-Banden eine lebensgefährliche Bedrohung. Sie finanzieren sich durch Schutzgelderpressung, Entführung, Auftragsmorde und Überfälle. Die andere Seite der Medaille: Wer in Viertel hineingeboren wird, wo die Mara-Gangs herrschen, hat oft keine andere Chance, als sich den Banden anzuschließen - oder selbst zum Opfer zu werden.

Zur Identifizierung nutzen die Sicherheitskräfte oft nur eine für die Gangs typische Tätowierung. Bereits über 58.000 Verhaftungen soll es seit Beginn des immer wieder verlängerten Ausnahmezustandes gegeben haben.

Im Land ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob der Kurs des Präsidenten moralisch vertretbar ist oder nicht. Im Prinzip geht es um die ethische Frage, ob der Schutz der Bevölkerung höher zu bewerten ist als die Verletzung von demokratischen Grundrechten. Denn bei dieser großen Zahl von Verhaftungen geraten bisweilen auch unschuldige Zivilisten ins Netz der Fahnder, wie Amnesty International jüngst dokumentierte.

Erzbischof verteidigt Regierung

San Salvadors Erzbischof Jose Luis Escobar Alas verteidigt das Vorgehen der Regierung. "Was jede zivilisierte Gesellschaft tut, ist, Verbrechen zu verfolgen", sagte Escobar Alas laut lokalen Medienberichten. Zugleich forderte er, dass alle zu Unrecht Verhafteten möglichst bald freigelassen werden müssten. Allerdings beschneidet der Ausnahmezustand die Rechte vieler Betroffener massiv, so dass - wer einmal in Haft ist - Gefahr läuft, vorerst im Gefängnis zu bleiben. Und das unter katastrophalen Bedingungen.

Der Erzbischof liegt auf Linie der meisten Salvadorianer, die sich erhoffen, dass die Sicherheitslage durch Bekämpfung der Clan-Kriminalität besser wird, kleine Ladenbesitzer nicht mehr erpresst werden. Tatsächlich ist die Mordrate in El Salvador laut offiziellen Angaben deutlich zurückgegangen: Von 2.398 im Jahr 2019 auf bislang registrierte 1.140 Tötungsdelikte im laufenden Jahr. Der Monat November, so teilte Bukele vor wenigen Tagen mit, sei der mit der niedrigsten Mordrate in der Geschichte des Landes gewesen.

Dem gegenüber stehen Berichte von Familienangehörigen über Vermisste, die plötzlich von der Bildfläche verschwunden seien. Über die Zustände in den Gefängnissen ist kaum etwas bekannt; zudem sind bereits Dutzende Menschen bei den Festnahmen ums Leben gekommen.

Unterdessen macht El Salvadors Beispiel Schule. Im Nachbarland Honduras hat die linksgerichtete Präsidentin Xiomara Castro nun ebenfalls den Notstand ausgerufen. Sie will 30 Tage die Kriminalität, besonders die Erpresser-Banden bekämpfen. Und aus Mexiko meldete sich ein Unternehmer zu Wort, der Präsident Andres Manuel Lopez Obrador empfahl, seine Strategie "Umarmen statt schießen" gegen die Drogenkartelle gegen die der harten Hand von Bukele einzutauschen.

Quelle:
KNA