"Hunger und Armut sind kein unabwendbares Schicksal", sagt Marlehn Thieme, die Präsidentin der Welthungerhilfe. "ZeroHunger bis 2030" ist denn auch das Ziel der Organisation, die vor 60 Jahren gegründet wurde.
"Die wichtigsten Hungertreiber wie Klimawandel oder Kriege sind menschengemacht und damit auch zu lösen", ist die Präsidentin überzeugt. Doch der Weg bis dahin ist noch weit: Derzeit sind bis zu 828 Millionen Menschen weltweit chronisch unterernährt.
"Deutscher Ausschuss für den Kampf gegen Hunger"
1961: In Indien grassiert eine schreckliche Hungersnot. Der Generaldirektor der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, Binay Ranjan Sen, ruft zu einer "Kampagne gegen den Hunger" auf. In den reichen Ländern sollen sich Komitees bilden, die Projekte in Ländern der südlichen Erdhalbkugel unterstützen.
Am 14. Dezember 1962 gründet sich in der Bundesrepublik auf Betreiben von Bundespräsident Heinrich Lübke der "Deutsche Ausschuss für den Kampf gegen Hunger". Es ist die Geburtsstunde der Welthungerhilfe, die 1968 als gemeinnütziger, politisch und konfessionell unabhängiger Verein in das Vereinsregister eingetragen wird. Bis heute ist der amtierende Bundespräsident ihr Schirmherr.
Information und Aufklärung prägen die ersten Jahre, bis 1966 und 1967 erste Benefizaktionen anlaufen. Die "Woche der Welthungerhilfe" zum Erntedankfest 1967 erbringt Spenden von 300.000 DM. Das Geld fließt in erste Hilfsprojekte in Mali, Indien, Madagaskar, Ghana und Peru. Ab den 70er Jahren arbeitet die Welthungerhilfe nach dem Grundprinzip, direkt mit Partnerorganisationen und den hilfsbedürftigen Menschen vor Ort Projekte zu planen und umzusetzen.
Akute Katastrophenhilfe kommt hinzu
Zu Beginn der 80er Jahre entsteht als zusätzlicher Arbeitsbereich der Welthungerhilfe die akute Katastrophenhilfe. Besonders gefragt ist sie nach dem Tsunami in Südostasien an Weihnachten 2004, dessen Flutwelle über 280.000 Tote und Millionen Verletzte hinterlässt. Die Katastrophenhilfe ist ebenso bitter notwendig nach den Erdbeben in Haiti 2010 und in Nepal 2015 und angesichts des Krieges in Syrien seit 2011.
Immer wieder werden neue Ideen entwickelt. Von 2006 bis 2015 gibt es die "Millenniumsdörfer" der Welthungerhilfe. Bei diesen Modellprojekten in 15 Regionen werden gemeinsam mit den Bewohnern Maßnahmen erarbeitet, um Hunger und Armut zu bekämpfen und für Bildung und Hygiene zu sorgen. In den meisten Regionen kommt es dadurch zu Verbesserungen der Ernährungslage und der Trinkwasserversorgung.
Welthunger-Index
Der Welthunger-Index, den die Welthungerhilfe seit 2006 mit verschiedenen Partnern jährlich herausgibt, ist zu einem wichtigen, international anerkannten Instrument geworden: Es misst und verfolgt die Hungersituation auf globaler, regionaler und nationaler Ebene.
Aktuell engagiert sich die Organisation auch im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels, etwa mit Projekten zur landwirtschaftlichen Entwicklung sowie zur Vorbeugung und zum Schutz vor Katastrophen.
Insgesamt arbeiten 3.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 90 Nationen in 36 Ländern für die Welthungerhilfe. 255 lokale Partnerorganisationen kooperieren den Angaben zufolge vor Ort in 526 Auslandsprojekten. 2021 flossen insgesamt 259,9 Millionen Euro in Hilfsprojekte, von denen 16,6 Millionen Menschen profitierten.
Festakt in Berlin
Der größte Teil der Einnahmen - 2021 waren das 229,4 Millionen Euro - kommt aus öffentlichen Zuwendungen, hauptsächlich von den Vereinten Nationen, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie dem Auswärtigen Amt. 77,5 Millionen Euro kamen im letzten Jahr an Spenden zusammen.
Am 14. Dezember feiert die Welthungerhilfe ihren 60. Geburtstag mit einem Festakt in Berlin. Die Abendveranstaltung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht unter der Überschrift: "Zero Hunger: Welche Wege können wir gehen, um die Zukunft zu gestalten?"