DOMRADIO.DE: Was macht eine Familie mit den Weihnachtswünschen, wenn kein Geld da ist? Wie können Sie da helfen?
Pfarrer Franz Meurer (Katholische Kirchengemeinde Höhenberg und Vingst): Erstmal ist wichtig, dass es ein tolles Fest ist, wenn man miteinander feiert, ein wunderbares Krippenspiel einstudiert, im Kindergarten feiert, wenn die Musik toll ist, wenn man zusammen musiziert, wenn 130 Weihnachtssterne blühen, wenn alle Kindergärten 40 Tannenbäume – 3,5 bis fünf Meter hoch – schmücken.
Aber zurück zu den Geschenken: Wir machen einen Geschenke-Basar. Das heißt, seit einigen Wochen schon können die Eltern kommen und sich die Geschenke aussuchen. Denn es geht uns darum, die Familien zu stützen. Das ist das A und O. Es bringt ja nichts, wenn irgendwo, und davon bin ich ein großer Gegner, ein Tannenbaum steht, sagen wir mal in einem teuren Hotel. Sie gehen hin, trinken einen Spezial-Gin für 16 Euro und dann ist da ein kleiner Zettel "Barbiepuppe 13 Euro, Wunsch von Wilma". Und dann muss Wilma dahin kommen, ein Liedchen singen und sich dankbar zeigen. Ich sage mal ganz brutal: Das ist Prostitution. Die Armen müssen sich prostituieren, um überhaupt von den Reichen beschenkt zu werden.
Die Organisation nenne ich jetzt aber nicht, sonst werden die sauer.
DOMRADIO.DE: Also Sie werben für ein Schenken ohne Gegenleistung wie bei Wunschbaum-Aktionen. Wo Kinder teilweise dreimal Danke sagen müssen. Aber welche Geschenke haben Sie denn auf dem Basar?
Meurer: Sogar Puppen, die Pipi machen. Wir haben 30 Puppenwagen. Wir verarbeiten ja die Reste der Gesellschaft. Wir bekommen Sachen teilweise völlig nagelneu. Ich will nicht sagen, wir ersticken daran. Das ist ja mehr als positiv. Ich sage schon immer, bitte nur Bücher mit der neuen Rechtschreibung. Und es können sich auch dienstags bei der Lebensmittelausgabe die Eltern, meistens die Mütter, zusätzlich selber Sachen aussuchen.
Bei diesem Geschenke-Basar wird man beraten, dann kommen nur zwei bis drei Mütter herein, damit nicht alle das gleiche wollen. Das ist insgesamt ziemlich groß: Wir verschenken ja pro Jahr fast 3.000 Kinderräder. Es gibt eine Familie aus Troisdorf, von denen kriegen wir am 3. Januar wieder 30 fertig reparierte Kinderräder.
Wir reparieren selber, aber die sagen, wir haben selber keine Kinder und dann gehen die auf Fahrradfirmen zu. Und kümmern sich um Reparaturen. Das heißt am 3. Januar haben wir wieder 30 gebrauchte Räder im top Zustand. Also auf Deutsch gesagt, wir organisieren Unterstützung von Familien, und das haben Ochs und Esel an der Krippe auch getan. Wir fühlen uns wie auch Ochs und Esel.
DOMRADIO.DE: Bekommen Sie denn genug Unterstützung? Oder ist bei den Geschenken noch Luft nach oben?
Meurer: Nein, wir brauchen keine Geschenke. Wir brauchen Leute, die Fahrräder reparieren. Und zwar wirklich reparieren, denn der Mann, der das bei uns gemacht hat, ein syrischer Flüchtling, der hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit, auch teilweise deswegen, weil er das mit den Fahrrädern gemacht hat. Und danach habe ich ihm natürlich eine bezahlte Stelle besorgt. Man darf die Leute doch nicht ausnutzen. Das heißt, wir sind wie eine Agentur, wir sorgen dafür, wie damals die Hirten auf dem Feld, dass Maria und Joseph unterkommen. Und wir sorgen dafür, dass die Familien gestützt werden.
Natürlich bekommen einzelne Familie auch etwas Geld, das ist ja logisch. Aber das ist nicht das Erste, was wichtig ist. Das Allererste ist die Stimmung: Wir essen das Brot, wir leben vom Glanz – Hilde Domin. Wenn es schön ist, ist es egal, ob es was ganz Teures zu Essen gibt. Oder eben schönen Nudelsalat. Zweitens: Gemeinschaft zu erleben. Was Schöneres gibt es für Kinder nicht. Die strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Und drittens kleine Gesten: Unsere Kommunionskinder haben, nicht von uns, aber von Gemeindemitgliedern etwas geschenkt bekommen. Also haben die jetzt im Advent jeden Sonntag auch eine Tüte gekriegt, eine Tafel Schokolade oder sonst was. Und einmal sogar jedes Kind fünf Euro Taschengeld.
Ja, mehr kann man doch nicht wollen. Das waren immer Leute von außerhalb. Ich will also dazu motivieren, die Familien zu unterstützen.
DOMRADIO.DE: Wie soll ich das schenken machen, damit es nicht wie ein Almosen aussieht?
Meurer: Das Wichtigste ist beim Schenken, dass man nicht den Beschenkten von sich abhängig macht. Das heißt, nicht die Erwartung eines Gegengeschenks zu haben. Wenn das geht, ist das schon mal viel wert.
Und wir müssen die Familien unterstützen! Denn Kinder direkt zu beschenken, das ist doch eine "Augenblick-Sache". Aber wenn die Familie, auch die arme Familie, sauber funktioniert, kann dem Kind nichts Besseres passieren. So war das doch auch bei Maria und Joseph. Die waren direkt Flüchtlinge in Ägypten. Hätten die nicht zusammengehalten, wäre Joseph dem Suff verfallen. Da bin ich fest davon überzeugt.
Das Interview führte Heike Sicconi.