"Angesichts mancher Themen, die noch vor seiner Bestattung im Raum standen, auch seine mögliche Heiligsprechung, würde ich zur Ruhe ermutigen", sagte Bischof Kohlgraf laut Manuskript in seiner Predigt und fügte hinzu: "Es gehörte immer zum kirchlichen guten Stil, sich mit abschließenden Bewertungen eines Lebens Zeit zu lassen."
Sicher seien viele Bilder, die sich die Öffentlichkeit von Benedikt gemacht habe, seiner "komplexen Persönlichkeit" nicht gerecht geworden. Er habe aber auch durch manche Positionen provoziert. Es gehöre "zur Wahrheit, dass sich viele Menschen auch durch ihn verstört fühlten", sagte der Mainzer Bischof.
"Ohne Zorn und Eifer"
"Manche betonen seine Fehler, nicht nur im Umgang mit Missbrauchstätern im Erzbistum München-Freising und dann als Papst", so Kohlgraf. Hier werde es seriöse Untersuchungen brauchen, "ohne Zorn und Eifer, mit Sachverstand". Der Mainzer Bischof betonte: "Verschweigen darf man das nicht, auch wenn es nicht die ganze Lebensleistung schmälert."
Es gebe auch Menschen aus dem Umfeld Benedikts, die diesem eine mangelnde Menschenkenntnis unterstellen würden. "Ja, auch ein großer Theologe, Bischof und Papst hat Fehler, und sie sind in das Ganze einzuordnen, auch dafür braucht es Zeit und Abstand, und es braucht Menschen, die sich dieser Bewertung annehmen ohne ein theologisches oder kirchenpolitisches Eigeninteresse", so Kohlgraf.
Deutliche theologische Positionen
Die Schriften und die Verkündigung Benedikts hätten allerdings "Entscheidendes zu sagen". Joseph Ratzinger habe zu den prägenden Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gehört. Als Präfekt der Glaubenskongregation habe er den einen als "Panzerkardinal" gegolten, andere seien für seine deutlichen Positionen dankbar gewesen.
Im 2006 verfassten geistlichen Testament Benedikts XVI. stehe an prominenter Stelle der Satz: "Steht fest im Glauben" (State in fide). Dies sei auch der bischöfliche Wahlspruch des früheren Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann (1936-2018) gewesen, so Kohlgraf. Beide hätten sich in ihren geistlichen Testamenten "um die Zukunft des Christusglaubens in unserem Land" gesorgt.