Benins alte Religion lebt und wird gefeiert

Tausende feiern Voodoo

"Voodoo": in unseren Breiten ein Wort für faulen Zauber und mystischen Kult. Doch wo die alte Voodoo-Religion herkommt, wird sie in der Bevölkerung ernst genommen - und bis heute gefeiert.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Frauen singen und tanzen gemeinsam beim Voodoo-Tag / © Katrin Gänsler (KNA)
Frauen singen und tanzen gemeinsam beim Voodoo-Tag / © Katrin Gänsler ( KNA )

Das Gedränge am Strand von Ouidah ist groß. Am Dienstag haben sich dort Hunderte Anhänger der alten Religion Voodoo versammelt. Gäste aus Wirtschaft und Politik; Hunderte Zuschauer und Dutzende Journalisten fotografieren und beklatschen Voodoo-Priester, singende Frauen-Gruppen, Trommler und Bokonons; jene Priester, die das Fa-Orakel bei wichtigen Lebensfragen lesen und interpretieren können.

Große Feier nach coronabedingter Pause

Nach coronabedingter Pause wird Voodoo in diesem Jahr wieder groß gefeiert. Welche Rolle der Glauben bis heute in Benin mit seinen 13 Millionen Einwohnern spielt, zeigt die voll besetzte Tribüne in Ouidah, der historischen Stadt 40 Kilometer entfernt von der Wirtschaftsmetropole Cotonou.

Die Idee, einen Feiertag für traditionelle Religionen einzuführen, stammt von Nicephore Dieudonne Soglo, Präsident von 1991 bis 1996. Hauptveranstaltungsort ist alljährlich der Strand von Ouidah; kleinere Veranstaltungen gibt es landesweit.

Voodoo stammt aus der Sprache Fon

Das Wort Voodoo stammt aus der Sprache Fon, der am stärksten verbreiteten im Süden Benins; es bedeutet Geist oder Gottheit. Auch andere ethnische Gruppen wie die Yoruba in Nigeria und die Ewe in Togo praktizieren Voodoo, das auch Handlungsanweisung für das eigene Leben ist. Über den Sklavenhandel gelangte die Religion bis nach Haiti. Sie ist nicht verschriftlicht; daher gibt es zahlreiche Interpretationen.

Der Schöpfergott heißt Mawu-Lisa. Er ist jedoch zu weit entfernt, um mit ihm zu kommunizieren. Deshalb nehmen Gläubige Kontakt über seine Kinder auf. Je nach Vorstellung werden sie als Heilige, Gottheiten oder göttliche Wesen bezeichnet. Vielen werden, ähnlich wie bei Schutzheiligen in der katholischen Kirche, besondere Eigenschaften zugesprochen. Für den Pockengott Sakpata etwa werden bei Krankheiten Zeremonien durchgeführt. Mamiwata werden Opfergaben gebracht, wenn eine Frau nicht schwanger wird. Dabei ist genau geregelt, welche Getränke welche Gottheit mag und welche Farben die Opfergaben haben müssen.

Von Kindheit an erlebt

Achedyi Ados hat das von Kindheit an erlebt. Der 55-Jährige lebt in Adjarra an der Grenze zu Nigeria. Voodoo sei seit seiner Geburt immer Teil seines Lebens gewesen. Er machte zunächst eine Ausbildung zum Schneider - bis ein Fa-Orakel entschied, dass er Voodoo-Priester werden solle, als Nachfolger seines Vaters. Das Fa-Orakel ist Teil der alten Religion. Dafür werden Kaurimuscheln in den Sand geworfen, die ein Bokonon anschließend interpretiert.

Heute empfängt Achedyi Ados Menschen mit wichtigen Lebensfragen. Sie kommen zu ihm, wenn sie beispielsweise Ratschläge für ihre Ehe brauchen. Er ist überzeugt: "Voodoo zeigt auch jenen den Weg, die in ihrem Beruf nicht erfolgreich sind." Achedyi zeigt auf eine Wand. An einer Stelle sind die Steine heller. Er erzählt, dass dort früher
eine Tür war: für all jene, die nicht offiziell mit der alten Religion in Verbindung gebracht werden wollten.

Eine Minderheit bekennt sich dazu

Offiziell bekennt sich nur eine Minderheit von knapp zwölf Prozent dazu. Tatsächlich praktizieren viele Menschen Voodoo aber auch noch neben dem Christentum. "Einmal sind sich hier zwei Priester begegnet. Das gab Ärger", sagt Achedyi Ados und lacht. Das Zusammenleben der Religionen ist tatsächlich bemerkenswert in Benin. Etwa 25 Prozent
sind Katholiken; etwas mehr noch bekennen sich zum Islam. Hier heißt es: Es gibt Christen und Muslime im Land, und alle sind Voodoo-Anhänger.

Nathanael Soede, emeritierter Professor für Moraltheologie und nationaler Sonderseelsorger für Führungskräfte und politische Persönlichkeiten, sagt: "In Afrika spielt die Gemeinschaft eine große Rolle." In Familien sei daher nicht entscheidend, wer welche Religion praktiziere. Auch sei nicht ungewöhnlich, dass vor wichtigen Ereignissen Vertreter aller Religionen gemeinsam beten. Schließlich ist Voodoo für viele nicht nur eine Religion, sondern auch Tradition und Herkunft.

Quelle:
KNA