Journalist erläutert Kirchenstreit in der Schweiz

"Die Schweiz ist ein Sonderfall"

Weil Frauen in der Schweiz konzelebriert haben, entschlossen sich die Bischöfe zu einem deutlichen Brief an das Kirchenvolk. Konsequenzen hat der aber nicht, weil die Schweiz anders funktioniert als alle anderen katholischen Länder.

Schweizer Fahne und der Blick auf Basel / © Jordi C (shutterstock)
Schweizer Fahne und der Blick auf Basel / © Jordi C ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Aus deutscher Sicht klingt das ziemlich absurd: Konzelebrierende Frauen während der Heiligen Messe? In der Schweiz kommt es aber durchaus vor?

Mario Galgano mit Schweizergardist (privat)
Mario Galgano mit Schweizergardist / ( privat )

Mario Galgano (In der Schweiz geborener Redakteur von Vatican News): In der Regel kommt es natürlich nicht vor. Aber was wir in der Schweiz vielerorts haben, sind Pastoral-Assistentinnen, die bei Gottesdiensten am Altar oder neben dem Altar mitgestalten. Sei es durch Meditationen oder was wir auch oft haben, sind Predigten von Laien, Theologinnen oder eben Pastoral-Assistentinnen. Das ist etwas, was in der Schweiz doch sehr verbreitet ist.

Aber ansonsten würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, dass wir in jeder Pfarrei konzelebrierende Frauen haben. Die Schweiz ist ja bekanntlich klein und bunt und ich würde sagen, das entspricht auch der katholischen Kirche in der Schweiz.

DOMRADIO.DE: Die deutschsprachigen schweizer Bischöfe haben daraufhin jetzt einen Brief an die Pfarrgemeinden geschrieben und daran erinnert, sich an die Regeln der katholischen Kirche zu halten. Solche Schreiben prallen bei den Eidgenossen ab?

Mario Galgano

"Die Bischöfe wollten einfach mal Klartext sprechen und klare Linien aufzeigen."

Galgano: Man muss sich den Hintergrund dieses Briefes der drei Bischöfe vor Augen halten. Es geht ja darum, dass wir jüngst in der Schweiz vor allem zwei Fälle hatten, die in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Da ging es eben um konzelebrierende Frauen, die das auch öffentlich bekannt gemacht haben. Das wurde öffentlich debattiert, darüber wurde gesprochen.

Und hier wollten die Bischöfe einfach mal Klartext sprechen und auch klare Linien zeichnen und aufzeigen. Das ist auch im Sinne aller. Die Frauen, die jetzt kon-zelebriert haben, haben das ja auch anerkannt. Es braucht Regeln. Es geht ja nicht darum, dass man etwas macht, sondern es braucht Regeln. Es braucht Räume und es braucht Rituale, die von allen mitgetragen werden. Um das geht es auch in diesem Brief.

DOMRADIO.DE: Vermutlich ist aber auch der Vatikan über die Regelbrüche nicht so besonders amüsiert. Aber von dort reicht der Arm nicht bis in die Schweiz?

Galgano: Seit dem 16. Jahrhundert ist es so, dass Rom schaut, was nördlich der Alpen so passiert. Die Schweiz ist seit damals, seit dem 16. Jahrhundert, ein Sonderfall, sagen wir mal so. Schon damals als zum Beispiel der damalige Erzbischof von Mailand, Kardinal Karl Borromäus, die Schweiz besucht hatte und als Protektor Helvetia ernannt wurde, ging es darum die Regeln, die aus Rom kommen, die für alle Katholikinnen und Katholiken gelten, auch wahzunehmen und zu beachten.

Das ist interessant, dass die korrekte Schweiz, die korrekten Schweizerinnen und Schweizer sich halt doch nicht so an Regeln halten wollen, die so außerhalb der Schweiz erarbeitet wurden.

DOMRADIO.DE: Es gibt ja seit geraumer Zeit Diskussionen über den Klerikalismus in der katholischen Kirche, die Macht, die Bischöfe und Priester ausüben. Das findet in der Schweiz nicht so sehr statt. Könnte die Kirche in Deutschland sich ein bisschen was davon abschauen?

Galgano: Der große Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland und der Schweiz und dem Rest der Welt sozusagen ist, dass wir in der Schweiz einen Sonderfall haben, was die katholische Kirche betrifft und allgemein, was die Kirchen, die Landeskirchen betrifft, weil wir eine Zweiteilung haben.

Wir haben die staatskirchenrechtlichen Institutionen, die kümmern sich natürlich vor allem um das Geld. Und dann haben wir die geistlich kirchlichen Institutionen, das heißt die Bischöfe kümmern sich darum, zum Beispiel die Missio zu erteilen und auch um alle pastoralen Fragen. Da ist natürlich jetzt diese Zweiteilung nicht immer einfach. Also wer bestimmt jetzt, wer das Geld hat oder wer die geistlichen Richtlinien vorgibt?

DOMRADIO.DE: Aber die Finanzen sind von Laien geführt und das müsste ja schlussendlich dann besser gehen als bei den Pfarrgemeinden in Deutschland. Oder gibt es auch da dieselben Probleme?

Mario Galgano

"Das gehört auch zur Schweizer Kultur dazu, dass man miteinander spricht und dass man miteinander Lösungen findet."

Galgano: Wir haben in der Schweiz im Grunde genommen die selben Probleme wie anderorts auch. Wir haben auch in der Schweiz einen synodalen Weg, einen Prozess, den wir auch so ungefähr wie Deutschland zeitlich und auch von der Organisation her führen. Aber wir haben auch andere Organisationen.

Also bei uns in der Schweiz ist es so, dass die Laien an sich vor allem eben diese staatskirchenrechtlichen Institutionen mittragen, gestalten und führen. Die Bischöfe, die Priester, konzentrieren sich vor allem auf die spirituelle Ebene. Oft geht das gut und manchmal geht es weniger gut. Das gehört auch zur Schweizer Kultur dazu, dass man miteinander spricht und dass man miteinander Lösungen findet. In der kleinen, bunten Schweiz klappt das meistens relativ gut. Ich glaube, auch in der Zukunft wird das so bleiben.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Katholische Kirche in der Schweiz

Die katholische Kirche in der Schweiz hat laut einer aktuellen Statistik rund 2,9 Millionen Mitglieder. Aufgrund von Zuwanderung sei die Zahl trotz eines zuletzt leichten Rückgangs weiter "historisch hoch", teilte das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) mit.

Schweizer Flagge
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Quelle:
DR