Ein ungewöhnliches Bündnis schuf vor 25 Jahren die völkerrechtlichen Grundlagen für die Beziehungen von Staat und katholischer Kirche in Sachsen-Anhalt: Dass Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) und der Botschafter des Papstes, Erzbischof Giovanni Lajolo, am 15. Januar 1998 in Magdeburg den Vertrag zwischen dem Bundesland und dem Heiligen Stuhl unterzeichnen konnten, verdankte die damalige rot-grüne Minderheitsregierung einer Oppositionspartei.
Regierungsparteien waren uneinig
Dem Protestanten Höppner war es nicht gelungen, alle Mitglieder seiner Landtagsfraktion von dem Abkommen zu überzeugen, das nach dem Ende der DDR und der deutschen Wiedervereinigung möglich wurde. Obwohl der sozialdemokratische Kultusminister Karl-Heinz Reck bei der späteren Ratifizierung des Vertrags im Landtag damit warb, dass die katholische Kirche dadurch anderen Kirchen gleichgestellt werde, enthielten sich mehrere SPD-Abgeordnete der Stimme.
Mit "Nein" votierten überdies die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, obwohl damals Regierungspartei, und der PDS, aus der später die Linkspartei hervorging. Die Bündnisgrünen vertraten die Auffassung, dass der Vertrag die Kirche gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen bevorzuge. Auch in der PDS war es der Vorwurf, dass er kirchliche Privilegien fortschreibe.
So war es die oppositionelle CDU, die schon vor der Unterzeichnung des Vertrags ihre Unterstützung signalisiert hatte. Zur Begründung hielt ihr Fraktionsvorsitzender Christoph Bergner den Kritikern entgegen, dass das Abkommen die katholische Kirche nicht bevorzuge, sondern vielmehr diese benachteiligt würde, wenn es nicht erfolge. Zur Begründung verwies er darauf, dass das Land bereits mit den evangelischen Landeskirchen und den jüdischen Gemeinden entsprechende Verträge geschlossen hatte.
Staatsleistungen
So konnte der Vertrag mit der katholischen Kirche am 22. April 1998 mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Bonn in Kraft treten. Es war das vierte völkerrechtlich verbindliche Abkommen dieser Art mit einem neugegründeten ostdeutschen Bundesland nach Sachsen (1996) sowie Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern (beide 1997). Im Jahr 2003 folgte noch Brandenburg.
Wie in diesen Fällen sind auch in Sachsen-Anhalt die Beziehungen seither umfassend geregelt. So betrifft es den Religionsunterricht, der ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen ist, die Schulen in kirchlicher Trägerschaft, die Förderung katholischer Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen, die Denkmalpflege und die Staatsleistungen an die Kirchen.
Unter diesen Vertragspunkten stehen vor allem die Staatsleistungen bundesweit zur Debatte. Es sind jährliche Zahlungen an die großen Kirchen, die sich aus Verstaatlichungen vor allem von Kirchenimmobilien vor rund 200 Jahren begründen. Die Ampelkoalition auf Bundesebene will einen gesetzlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Staatsleistungen auf Landesebene abgelöst werden.
20 Prozent des Bistumshaushalts
In Sachsen-Anhalt ist das Thema von besonderer Bedeutung. Auf der Grundlage des Staats-Kirchen-Vertrages beliefen sich die Zahlungen an die katholische Kirche im Jahr 2022 auf knapp 6,8 Millionen Euro. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern liegt diese Summe im unteren Bereich. Dagegen sind es pro katholischem Kirchenmitglied in Sachsen-Anhalt umgerechnet 96 Euro und damit bundesweit der Spitzenwert, wie auch die 132 Euro für jedes evangelische Kirchenmitglied.
Die Staatsleistungen machen rund 20 Prozent des Magdeburger Bistumshaushalts aus, so der Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt, Stephan Rether. "Ohne sie müssten wir unsere Schulen und Sozialeinrichtungen zumeist aufgeben", betont der Kirchenjurist, der für die landespolitischen Kontakte der Kirche zuständig ist. Mit rund 70.000 Mitgliedern ist die katholische Kirche in dem Bundesland eine Drei-Prozent-Minderheit und entsprechend finanzschwach.
Auch wenn ein Ende der Staatsleistungen eines ferneren Tages in Sachsen-Anhalt auf der Tagesordnung steht, ist Rether indes zuversichtlich. Das im Staats-Kirchen-Vertrag, den er selbst mitverhandelt hat, festgeschriebene "partnerschaftliche Verhältnis" bei gegenseitiger Unabhängigkeit ist nach seiner Überzeugung eine gute Grundlage für eine einvernehmliche Lösung.