Bayern bereitet sich auf die Landtagswahl 2023 vor

Von Wechselstimmung bisher keine Spur

Die bayerische Politik ist schon wieder im Wahlkampfmodus. In neun Monaten wird das Parlament neu gewählt. Frontmann Markus Söder teilt kräftig aus und schlägt zugleich immer häufiger pastorale Töne an, gern auch vor Bischöfen.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, CSU, spricht beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz. / © Felix Hörhager (dpa)
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, CSU, spricht beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz. / © Felix Hörhager ( dpa )

Wäre die Abstimmung heute und gäben Meinungsumfragen die Wirklichkeit 1:1 wieder, wäre der Urnengang für die Regierungsparteien im Freistaat eine "gmahde Wiesn". So sagt man in Bayern, wenn der Ausgang eines Rennens vorab als gelaufen gilt. Nach zwischenzeitlichen Schwankungen hat sich die CSU in den Messungen der Demoskopen wieder etwas über der 40-Prozent-Marke stabilisiert, ihr Juniorpartner - die Freien Wähler - kommt auf 10 Prozent. Das wäre eine stabile absolute Mehrheit.

In weitem Abstand zum seit Jahrzehnten in der bajuwarischen Wählergunst etablierten Platzhirsch folgen die anderen: die Grünen liegen derzeit bei 18 Prozent, die AfD (10 Prozent) hat die SPD (9 Prozent) inzwischen überholt, obwohl sie von heftigen parteiinternen Dauerquerelen geschwächt ist, zumindest dieses Problem verbindet sie mit den Sozialdemokraten. Die FDP (4 Prozent) würde es momentan trotz ihres quirligen Landes- und Fraktionschefs Martin Hagen nicht wieder in die Volksvertretung schaffen.

Mehrheit sieht in Söder einen guten Regierungschef

Von Wechselstimmung ist nicht viel zu spüren. Laut einer aktuellen Umfrage wünscht sich gerade mal jeder fünfte Bayer eine andere Regierung. Markus Söder als Ministerpräsident hat zwar nicht mehr die Traumwerte an Zustimmung, die er zu Beginn der Pandemie erzielte. Damals wurde sein vergleichsweise straffer Kurs, den er als oberster Krisenmanager einschlug, zeitweise von 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat goutiert. Dennoch halten ihn auch heute noch 53 Prozent für einen guten Regierungschef.

Markus Söder / © Peter Kneffel (dpa)
Markus Söder / © Peter Kneffel ( dpa )

Seine Strategie ist klar: Weiter so. Vorbei der Flirt mit den Grünen, der Söder dazu brachte, Bäume zu umarmen. Inzwischen hat der Instinktpolitiker die Botschaft aus seiner Partei verinnerlicht, dass es an der Basis nur wenig Sympathie für Schwarz-Grün gibt. Unionsinterne Konfliktlinien, die der Opposition willkommene Angriffsflächen böten, gibt es auch kaum noch. Zum Jahreswechsel lieferten Söder und Merz dazu Bilder eines demonstrativen Schulterschlusses, verbunden mit der Botschaft, dass der CSU-Chef seine Ambitionen aufs Kanzleramt endgültig begraben hat.

Eng könnte es nur werden, sollte die AfD zu stark abschneiden. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat bereits eine solche Warnung ausgesprochen. Allerdings nicht in Richtung seines Koalitionspartners, der vor dem Urnengang 2018 lange die Rechtsausleger verbal auf der falschen Seite zu überholen versuchte. Nein, "linke Medien" würden die Stärke der AfD erst herbeischreiben, meinte Aiwanger dieser Tage in einem Interview mit den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Trügerische Angriffslust?

Die Ampel in Berlin macht es ihm und Söder leicht, sie müssen dort auf keinen Koalitionspartner Rücksicht nehmen. Und in Bayern hat es noch immer verfangen, auf "die da oben" - im geografischen Sinne - kräftig einzudreschen. Die Salven auf die Bundeshauptstadt nach den dortigen Silvesterausschreitungen waren da nur ein zarter Vorgeschmack auf das, was im weiteren Wahlkampf zu erwarten ist.

Bayerischer Landtag / © Sven Hoppe (dpa)
Bayerischer Landtag / © Sven Hoppe ( dpa )

Doch diese Angriffslust und scheinbare Unangefochtenheit könnte auch ein bisschen trügerisch sein. Im Wahljahr muss sich die CSU-geführte Staatsregierung gleich mit vier Untersuchungsausschüssen im Landtag herumplagen. Noch nicht abgeschlossen ist die Aufarbeitung offener Fragen zum Umgang mit NSU und Rechtsterrorismus, auch nicht die Geschäfte mit überteuerten Masken, für die einstige CSU-Größen und christsoziale Anverwandtschaft üppige Provisionen kassiert haben.

Hinzukommen das Debakel um die immer teurer und später fertig werdende zweite S-Bahn-Stammstrecke in München und das Zukunftsmuseum in Nürnberg, eines von Söders Lieblingsprojekten in seiner Heimatstadt, für das der Freistaat eine Immobilie des früheren Präsidenten des 1. FC Nürnberg, Gerd Schmelzer, angemietet und dafür aus Sicht der Opposition viel zu viel Geld ausgegeben hat. Die Erfahrung lehrt allerdings auch, dass solche Affären die CSU bisher so gut wie noch nie entscheidende Stimmenanteile gekostet haben.

Treffen mit Missbrauchsbetroffene

Noch ein Blick auf die Kirche: Das vor einem Jahr veröffentlichte Münchner Missbrauchsgutachten hat auch zu Debatten im Landtag geführt. Nicht nur FDP und Grüne haben sich dabei besonders hervorgetan.

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) scheint inzwischen einer stärkeren staatlichen Befassung mit dem heiklen Thema nicht mehr abgeneigt. Er hat sich seither mehrfach selbst mit Missbrauchsbetroffenen zu mehrstündigen Unterredungen getroffen. Wenn die Kirche weiter zu zögerlich ist, müssen wir uns mehr kümmern, das scheint seine Devise zu sein. Eine vom Freistaat eingerichtete unabhängige Ombudsstelle ist dem Vernehmen nach in Reichweite.

Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe (dpa)
Kardinal Reinhard Marx (r) und Markus Söder nehmen am Jahresempfang des Erzbistums München teil / © Sven Hoppe ( dpa )

Das Verhältnis zwischen Staatsregierung und Freisinger Bischofskonferenz gilt schon länger als angespannt. Söder und der Münchner Kardinal Reinhard Marx werden wohl keine Freunde fürs Leben mehr, auch wenn Marx nach der Totenmesse für Benedikt XVI. in Rom ein Geburtstagsständchen auf den CSU-Mann anstimmte, der ausgerechnet an diesem Tag 56 Jahre alt wurde. Vor Weihnachten hatten sich Eisenreich und Marx wegen der Missbrauchsaufarbeitung noch öffentlich gekeilt.

Söder vermisst Aufbruchsstimmung in der Kirche

Söder wiederum hatte kurz zuvor in einem öffentlichen Plausch mit dem gerade emeritierten Bamberger Erzbischof Ludwig Schick wenig Schmeichelhaftes aus seinen regelmäßigen Unterredungen mit dem Episkopat im Freistaat erzählt - im Plauderton. Der protestantische "Ober-Bayer" vermisst Aufbruchsstimmung in der Kirche und glaubwürdiges Eintreten für die Frohe Botschaft. Zur Totenvesper des Münchner Erzbischofs für den emeritierten Papst in Rom hörte sich sein Grußwort wie eine Predigt an.

Hört man in die CSU hinein, so machen auch der Partei die inzwischen besorgniserregend hohen Kirchenaustrittszahlen zu schaffen. Stimmen mehren sich, den Bischöfen deshalb eher mit skeptischer Distanz zu begegnen, ohne die Nähe zum Fußvolk zu verlieren.

Dass Kirche und CSU in Lorenz Wolf ihren wichtigsten Verbindungsmann 2022 verloren haben, dürfte eine Verständigung nicht einfacher machen. Der in die Partei bis in die Spitze gut vernetzte Prälat musste nach dem Münchner Missbrauchsgutachten, das auch ihn belastete, die Leitung des Katholischen Büros Bayern abgeben. Der Nachfolger Matthias Belafi, ein enger Gefolgsmann von Marx, kommt erst im Frühling - aus dem Kirchenreferat der Staatskanzlei in Düsseldorf.

Quelle:
KNA