DOMRADIO.DE: Warum haben Sie sich ausgerechnet jetzt mit dem Thema beschäftigt?
Matthias Fischbach (FDP-Politiker im bayerischen Landtag, Sprecher für Bildung und Religion der FDP-Fraktion): Die FDP beschäftigt sich mit dem Thema Trennung von Kirche und Staat schon lange. Es gab in den 1970er-Jahren schon ein viel beachtetes Papier zu diesem Thema. Allerdings hat sich seitdem viel verändert.
Vor 50 Jahren lag der Anteil der katholischen Bevölkerung in Bayern bei rund 70 Prozent und dazu kamen noch mal fast 20 Prozent, die der evangelischen Kirche angehörten. Das war eine andere Situation, als es heute der Fall ist. In Bayern liegt der Anteil an Katholiken bei unter 50 Prozent.
Nach Umfragen unterstützen zwei Drittel der bayerischen Bevölkerung eine stärkere Trennung von Kirche und Staat. Deswegen haben wir als FDP-Fraktion das Thema aufgegriffen. Es gibt den Bedarf bei dem Thema, den geänderten gesellschaftlichen Realitäten Rechnung zu tragen.
DOMRADIO.DE: In Ihrem Papier schreiben Sie, dass die Trennung von Staat und Religion in weiten Teilen durch die verfassungsrechtlich garantierte und praktisch gelebte Religionsfreiheit bereits erreicht sei. Sie sehen allerdings Nachholbedarf bei der "historisch gewachsenen Bevorzugung alteingesessener Religionsgemeinschaften, namentlich der katholischen und evangelischen Kirchen". Wäre es nicht auch möglich, anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die gleichen Sonderrechte zukommen zu lassen, anstatt den Kirchen ihre Privilegien wegzunehmen?
Fischbach: Die Frage ist, inwiefern das in der Praxis möglich ist. Zum Beispiel wäre es bei muslimischen Glaubensgemeinschaften schwierig, die gleichen Rechte herzustellen, weil es keine eingetragenen Körperschaften des öffentlichen Rechts gibt. Die Voraussetzung wäre, dass man sich in der Art und Weise der Kirchen organisieren könnte und müsste. Das ist in manchen Religionsgemeinschaften so nicht möglich. Allein deswegen herrscht keine Gleichberechtigung.
Sehr deutlich zum Tragen kommt die Ungleichbehandlung bei den Staatskirchenleistungen. Die gehen im Wesentlichen noch auf das bayerische Konkordat aus dem Jahre 1924 zurück, das wiederum auf das Konkordat aus der Folge der Säkularisation in Bayern in den Jahren 1802 und 1803 zurückgeht. Die Staatskirchenleistungen in Bayern sehen eine jährliche Zahlung von 77 Millionen Euro an die katholische Kirche und 26 Millionen Euro an die evangelische Kirche vor.
Zum Vergleich: Alle anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erhalten an vergleichbaren Leistungen insgesamt nur eine Million Euro. Das steht in keinem Verhältnis, was dem Anteil der Bevölkerung entspricht. Deswegen sehen wir da keine Gleichbehandlung der verschiedenen Weltanschauungen.
Das ist quantitativ sehr deutlich erkennbar, aber auch eine qualitative Fragestellung. Zum Beispiel beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo den Kirchen besondere Sendeplätze zustehen.
DOMRADIO.DE: Ein weiterer Punkt ist das kirchliche Arbeitsrecht. Die katholischen Bischöfe haben gerade ein neues Arbeitsrecht beschlossen, in dem beispielsweise die persönliche Lebensführung keine so große Rolle mehr spielen soll. Betrachten Sie das als Fortschritt?
Fischbach: Es ist auf jeden Fall ein beachtlicher Fortschritt, dass der Blick ins Schlafzimmer ausbleibt. Aber es ist noch kein Grund zum Jubeln. Erstens, weil die Bistümer die Empfehlung noch umsetzen müssen. Es ist noch nicht sicher, dass das flächendeckend erfolgt oder ob ein Flickenteppich entsteht.
Und zweitens ist das Thema der Kirchenaustritte explizit nicht rausgenommen, was zur Frage führt, ob das dafür ausschlaggebend sein soll, ob jemand in einer Kita oder in einem Krankenhaus arbeiten darf, was zu einem überwiegenden Teil aus Mitteln der Steuerzahler bezahlt wird.
Von daher ist es ein erster wichtiger Schritt, aber es sollte nicht der letzte sein.
DOMRADIO.DE: Auch die Feiertagsregeln sind Thema Ihres Papiers, insbesondere die stillen Feiertage wie der Karfreitag und das zugehörige Tanzverbot. Warum muss da etwas geändert werden? Reicht es nicht mehr, Rücksicht zu nehmen?
Fischbach: Natürlich soll man Rücksicht nehmen. Da bin ich voll dabei. Ich finde nur, dass an einem gewissen Punkt Schluss sein muss. Wenn ich niemanden belästige, weil ich in meinem Keller feiere, gibt es keinen Grund, mir als jemanden, der diesen stillen Feiertag nicht begehen möchte, das Tanzen zu verbieten. Da muss zwischen den Bürgerinnen und Bürgern eine gegenseitige Toleranz herrschen.
Im Augenblick wird die Situation sehr stark von Vorschrift im Sinne der kirchlichen Vorgaben geregelt. Das ist für eine demokratische, liberale Gesellschaft zu viel Kirche und zu wenig neutraler Staat.
DOMRADIO.DE: Was und wie viel von dem, was Sie da anstoßen wollen, glauben Sie wird in der nächsten Zeit umgesetzt werden können?
Fischbach: Zum Beispiel die Staatskirchenleistungen. Seit 100 Jahren steht deren Abschaffung als Verfassungsauftrag. Zuerst in der Weimarer Verfassung und von dort wurde er ins Grundgesetz übernommen. Die Ampelkoalition hat sich dieses Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben und will dafür ein sogenanntes Grundsätze-Gesetz schaffen, das festlegt, wie in den einzelnen Bundesländern die Staatskirchenleistungen abgelöst werden können.
Ich halte das für einen wichtigen Impuls und hoffe, dass wir das in den nächsten Jahren umsetzen können. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten ein bis zwei Jahren den ersten Entwurf dazu haben. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Es geht jetzt darum, konstruktive Verhandlungen zu führen, wie das umgesetzt werden kann. Bisher ist das leider immer irgendwo versandet.
Wir versuchen aus Bayern Druck zu machen, damit das Vorhaben von den Landesregierungen nicht torpediert wird, damit dieser wichtige Schritt zur Trennung von Staat und Kirche umgesetzt werden kann.
DOMRADIO.DE: Ihr Papier würdigt das Engagement der Kirche im diakonischen, kulturellen und sozialen Bereich. Bräuchte es da nicht eine größere Würdigung seitens der Politik?
Fischbach: Das wird durchaus auch von der Politik sehr gewürdigt, aber ich verstehe nicht, warum es dafür eine Sonderbehandlung bräuchte. Letzten Endes ist es das Gleiche, ob eine Caritas als sozialer Träger unterwegs ist oder eine AWO oder noch ein anderer. Im Endeffekt ist entscheidend, dass Kinder und Betroffenen durch die sozialen Einrichtungen unterstützt werden. In diesen Bereich gehört insgesamt mehr Wertschätzung.
Zum Beispiel merken wir das im Bereich der Pflege. Das Feld ist über Jahre vernachlässigt worden und dort müssen wir insgesamt mehr Wertschätzung entgegenbringen. Natürlich sind da auch die Kirchen sehr engagiert. Das wissen wir als Politik zu schätzen.
Das Interview führte Dagmar Peters.